Anderen aufs Dach steigen

TRIER-EHRANG. Er besucht einen – ob man will, oder nicht. Michael Lehnert kennt sich aus im Bezirk zwischen Ehrang, Pfalzel, Quint, Heide, Bausch und Hafen. Der Grund: Der sympathische 30-Jährige ist Schornsteinfegermeister und geht mit seinem Job einem "Staatsauftrag" nach.

"Was, Sie schon wieder?", ist eine der häufig verwunderten Fragen, die Michael Lehnert erhält, wenn er mit Schultereisen, Stoßbesen und Kugelschlagapparat "bewaffnet" an der Haustür klingelt. Dabei kommt der hochgewachsene Mann nur einmal im Jahr zu Besuch. Um gesetzlich vorgeschriebene Kehr- und Überprüfungsarbeiten im Schornstein im Wechsel mit Abgasmessungen der Heizung vorzunehmen. "In meinem Beruf erlebt man viele schöne Sachen. Aber manchmal muss man auch die Faust in der Tasche ballen", sagt Lehnert. Denn nicht immer stoße seine Arbeit auf Gegenliebe bei den Kunden, die in den vergangenen Jahren zunehmend von "Abzocke" sprächen. Was für Lehnert nicht nachvollziehbar ist. "Die Heizung ist das Wichtigste im ganzen Haus. So, wie das Auto alle zwei Jahre zum Tüv muss, ist es wichtig, Heizung und Schornstein alle zwei Jahre zu kontrollieren. Das dient der Sicherheit der Kunden." Durch einen Zufall kam das Ehranger "Heidekind" Lehnert zu seinem Job, lernte bei Bezirksschornsteinfegermeistern und der einzigen rheinland-pfälzischen Schornsteinfegerschule in Kaiserslautern. Der erste Probe-Gang führte ihn zu der Witwe des Ehranger Sängers Peter Roth-Ehrang, wo er zum ersten Mal durch ein Fenster ausstieg, um zum Schornstein zu gelangen. "Kein Problem", erklärt Lehnert lachend, der kein Kind von Traurigkeit ist. Das merken auch die Kunden, denen er nach eigener Einschätzung mitunter "vorwitzig" begegnet. "Man guckt in die Familien hinein, lernt Politiker, Ärzte, Hartz IV-Empfänger oder millionenschwere Leute kennen. Aber auch ekelnde Lebenssituationen, wenn um die Anlagen herum Dreck und Unrat liegen." Besonders die älteren Leute freuten sich, wenn er komme. Dann würde er nach getaner Arbeit manchmal noch auf eine Tasse Kaffee bleiben, mit kleinen Handreichungen helfen - oder sich selbst Rat einholen. Etwa, wenn es um den Umbau seines mehr als 100 Jahre alten Hauses in Euren geht. Geheiratet in der Kluft vor den Kollegen

Den ganzen Tag über hat Lehnert mit Leuten zu tun. Da ist es kein Wunder, dass er den Feierabend am liebsten mit seiner Frau verbringt - eine 24-jährige Erzieherin, die er selbstverständlich in Schornsteinfegerkluft vor spalierstehenden Kollegen geheiratet hat. Der Schornsteinfeger als Glückssymbol: Auch heute noch kämen Leute, die ihn berühren oder ihm das "Glückshändchen" schütteln wollten. "Das ist okay", findet Lehnert, der regelmäßig im Januar seinen Kunden kleine Schornsteinfeger schenkt. Die Freizeit verbringt Lehnert mit dem Hausumbau und im Musikverein Euren, in dem er und seine Frau Tuba spielen. Wenn sein Haus fertig ist, und ein Schornsteinfeger an seiner Tür klingelt? "Dann begrüße ich ihn mit: Du Halsabschneider!", lacht Lehnert. "Nein, im Ernst: Er soll seine Arbeit ordentlich machen, danach können wir ein Käffchen trinken."

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