Anstrengende Suche nach Elvis

TRIER. Ertrunkene bergen, Beweisstücke finden, Schiffspannen beheben: Die Arbeit der Taucher der Trierer Berufsfeuerwehr ist anstrengend – und die Mosel ein unwirtliches Tauchgewässer.

Alles ist anders, als ich es mir vorgestellt habe. Eiskaltes, lähmendes Moselwasser läuft in meine zwei Sechs-Millimeter-Neoprenanzüge, die ich übereinander trage und in denen ich mich wie eine gut genährte, aber bewegungsunfähige Robbe fühle. Die zwei Sieben-Liter-Sauerstoffflaschen auf meinem Rücken lassen mich wie einen toten Fisch mit dem Bauch nach oben treiben. Jede Bewegung ist anstrengend, meine Wadenmuskeln sind zu schwach für die stahlharten Profiflossen. Hilflos rudere ich herum, endlich sind die Füße unten und der Kopf oben. Mein Partner Stefan Plein fragt mich mit aus Daumen und Zeigefinger gebildetem Kreis - das Taucherzeichen für ,Alles OK' - ob ich zurechtkomme. Ich bestätige. Alles OK. Obwohl ich schon - bevor es überhaupt unter die Wasseroberfläche geht - völlig außer Atem bin. Eins ist bereits klar: Mit dem schwerelosen Dahingleiten im glasklaren, warmen Urlaubsmeer hat die Arbeit der Feuerwehrtaucher nichts zu tun. Statt T-Shirt, einfachem Lungenautomaten und einer einzelnen Luftflasche tragen die Berufstaucher eine Vollgesichtsmaske. Das Jacket ist strapazierfähiger und schwerer, auf dem Rücken lasten zwei statt einer Flasche. Alleine der lange Neoprenanzug und der zweite, kurzärmlige Shorty darüber machen rund fünf Kilogramm an den 50 Kilo Ausrüstungsgewicht aus.Ausbildung dauert ein Jahr

Langsam tauchen wir ab. Nicht mal eine Armlänge weit kann ich in der braunen Brühe sehen. Wo ist oben? Wo unten? Wo mein Partner? Ein bisschen panisch zerre ich an der Körperleine, über die ich mit Stefan verbunden bin. Der 41-Jährige ist seit elf Jahren Berufstaucher bei der Trierer Feuerwehr und die Ruhe in Person. Nach der Ausbildung zum Feuerwehrmann hat er den einjährigen Lehrgang zum Berufstaucher durchlaufen. Seitdem stehen jedes Jahr mindestens zehn Übungstauchgänge auf dem Plan. Die absolvieren die 21 Taucher der Trierer Berufsfeuerwehr meist in ihrer Freizeit - der enge Dienstplan lässt die zeitaufwändigen Übungen kaum zu. Allmählich gewöhne ich mich an die schlechte Sicht unter Wasser, mein Körper hat das ursprünglich zehn Grad kalte Wasser, das meinen Nassanzug füllt, aufgewärmt. In rund vier Metern Tiefe gründeln wir mit wenigen Zentimetern Abstand über den Moselboden und suchen nach Elvis, dem Modepuppen-Torso, mit dem die Berufstaucher das Bergen von Menschen üben. Der Schlick ist hellbraun, Elvis dunkelrosa, der geringe Farbunterschied macht die Unterwassersuche nicht einfacher. Trotz Taucherfahrung im Meer ist mir die Mosel unheimlich. Alleine auf die Körperleine will ich mich nicht verlassen, verkrampft halte ich mich an Stefans Hand fest. Seit einer guten Viertelstunde sind wir unter Wasser. Dann plötzlich eine rosiges Gesicht direkt vor meiner Maske. Der Schreck und das Adrenalin lassen mich nach Luft schnappen - doch die Atemluft strömt nur langsam in die Maske. Was für ein Gefühl muss es sein, einen echten Menschen statt eine Plastikpuppe im Schlick zu finden? Ich packe Elvis, den das hinein geflossene Wasser so schwer wie einen echten Körper macht. Nichts wie nach oben. Atemlos paddele ich zum Steg. Um Elvis fachgerecht - und lebenserhaltend - über der Wasseroberfläche zu halten, fehlt mir Kraft und Ruhe. Die Taucherkollegen an Land ziehen den Torso heraus. Und "retten" anschließend mich. Denn von der Rettungsübung - Alltag für die Feuerwehrtaucher - bin ich so erschöpft, dass ich weder alleine meine Flossen ausziehen noch die wackelige Leiter hinauf klettern kann. Dreimal hat Richard Wollscheid, Ausbilder der Taucherstaffel, schon Tote aus dem Wasser geborgen. "Meistens werden wir zu spät gerufen, die Leute warten meist eine Zeit ab, ob der Untergegangene nicht doch von selbst wieder auftaucht. Bis wir eintreffen, ist es dann zu spät." Ertrinkt jemand in der Schifffahrtsrinne, reißt die Strömung ihn so weit mit, dass er kaum noch aufzuspüren ist. "Die tauchen dann erst an der nächsten Staustufe wieder auf", sagt Wollscheid. Manchmal werden die Taucher aber auch rechtzeitig gerufen, wie bei dem Schulausflug im Eurener Sporthafen. "Da war ein Kind von einem Mäuerchen ins Wasser gestürzt und untergegangen. Die Lehrerin hat sofort die Feuerwehr informiert - weniger Minuten später konnten wir das Mädchen lebend aus dem Wasser ziehen", erzählt Wollscheid.Zehn bis zwölf Einsätze pro Jahr

Zehn bis zwölf Einsätze hat die Trierer Wasserrettung pro Jahr. "Meist tauchen wir nach Autos, die bei Unfällen in Mosel, Saar oder Ruwer versinken", erklärt Wollscheid. Manchmal kommen Aufträge von der Polizei, wenn vermutet wird, dass ein Täter Beweisstücke in den Flusstiefen hat verschwinden lassen. Auch technische Arbeiten erledigen die Berufstaucher nach Auftrag. Zum Beispiel, wenn aus einem Leck in einem Schiffsboden giftige Flüssigkeit austritt. "Bis das Schiff in eine Werft gebracht werden kann, ziehen wir eine Plane unter dem Rumpf durch, die vom Wasser gegen das Leck gedrückt wird", erklärt Wollscheid. Während ich noch immer schwer atmend auf dem Steg sitze, hat Stefan Plein schon unsere beiden Ausrüstungen zerlegt und den nächsten Tauchgang vorbereitet. Johannes Ripp lässt sich in Tauchmontur in die Mosel gleiten. Stefan Plein hält die Signalleine, mit der Tauchkollege Johannes in die richtige Richtung dirigiert wird. In konzentrischen Halbkreisen sucht der Taucher den Moselboden nach einem Eisenhaken ab, den Jörg Wollscheid zuvor mit Schwung in die Mosel geschleudert hat. War der große Elvis schon schwierig zu finden, kommt der 20-Zentimeter-Haken der Nadel im Hauhaufen gleich. Trotzdem: Nach gut 20 Minuten taucht Ripp samt Haken wieder auf. Am frühen Nachmittag ist mein Übungstag mit den Feuerwehrtauchern zu Ende. Im engen Wasserrettungswagen - auf einer rund einen Quadratmeter großen Fläche - schäle ich mich aus den engen Tauchanzügen. "Bei einem Einsatz ziehen wir unsere Ausrüstung während der Fahrt an, damit wir am Unglücksort direkt ins Wasser springen können", erklärt Wollscheid. "Die Anziehen im fahrenden Rettungswagen ist eigentlich das Gefährlichste an unserem Job." Auch die Taucher der Berufsfeuerwehr präsentieren sich beim großen Feuerwehr-Fest "100 Jahre Rettungsdienst" vom 18. bis 20. August im Trierer Messepark. In einem Tauchcontainer zeigen sie ihr Können.

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