Arbeitsmarkt: Die Kehrseite der Reformen

TRIER. An die Reform des Arbeitsmarktes werden gemeinhin große Hoffnungen geknüpft. Für regionale Anbieter von Fortbildungen für Sozialhilfeempfänger könnten die Pläne der Bundesregierung jedoch bedrohliche Folgen haben: Sie sehen sich durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe in ihrer Existenz bedroht.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum "Arbeitslosengeld II" zu vereinen, für dessen Verwaltung künftig die Arbeitsämter zuständig sein sollen. Die Kommunen wären damit ihrer traditionellen Zuständigkeit für die Sozialhilfe enthoben. Genau dieses Vorhaben stößt nicht nur bei Horst Schneider, Geschäftsführer der Bürgerservice gGmbH, auf Ablehnung: Er befürchtet, dass die Qualifizierungsmaßnahmen von den Arbeitsämtern nicht wie bisher bezuschusst würden und folglich ausfallen müssten. Am Beispiel des Bürgerservice versucht Schneider deutlich zu machen, was ein Abschied der Kommunen aus ihrem Engagement bedeuten würde: Knapp 130 Empfänger von Sozialhilfe - viele von ihnen seit Jahren arbeitslos - erlernen derzeit beim Bürgerservice in Fortbildungsmaßnahmen gewisse berufliche "Grundtugenden", gewöhnen sich an geregelte Arbeitszeiten oder üben einfache Tätigkeiten aus. Die Maßnahmen werden von den Kommunen, zum Großteil jedoch aus Landes- oder EU-Mitteln gefördert. Diese Fördergelder fließen jedoch mit, manchmal jahrelanger, Verspätung, weshalb der Bürgerservice die Projekte vorfinanzieren muss. Derzeit sei knapp eine Million Euro offen, sagt Schneider. Für diese Summe habe die Stadt Trier eine Bürgschaft übernommen, um die Finanzierung sicher zu stellen. Ohne diese Bürgschaften wären die Fortbildungsmaßnahmen "direkt in ihrer Existenz bedroht", sagt der Geschäftsführer des Bürgerservice. Den Sozialhilfeempfängern wäre die vermutlich letzte Chance genommen, ins Berufsleben zurück zu kehren.Trierer Caritas-Projekt muss Stellen streichen

Nach Angaben Schneiders sind momentan Planungen für den Bereich Fortbildung im Jahr 2004 nahezu unmöglich: "Die Zukunft des Arbeitslosengeldes II hängt wie ein Damoklesschwert über den Trägern." Derzeit verhandeln Bundestag und Bundesrat über die künftige Zuständigkeit für das Arbeitslosengeld II. Erste "Opfer" hat die ungewisse Zukunft bereits beim Caritas-Projekt "Bärkauf" gefordert. Dort können sich seit fünf Jahren allein erziehende Mütter, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, in verschiedenen Dienstleistungs-Bereichen qualifizieren. Von den ursprünglich 15 Plätzen in Stadtteil-Café, Second-Hand-Shop und Bügelservice sind in diesem Jahr nur noch zehn übrig geblieben, eine halbe Stelle für eine pädagogische Fachkraft musste gestrichen werden. Denn die Finanzierung aus EU- und kommunalen Mitteln ist nur noch bis Ende Juni 2004 gesichert, erläutert Birgit Pütz, Referatsleiterin der Caritas-Sozialstation Trier-West. Dabei ist Bärkauf durchaus erfolgreich: Durchschnittlich konnten vier Teilnehmerinnen im ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen, sagt Pütz. Angesichts der Voraussetzungen eine relativ hohe Quote - die Frauen haben in der Regel keinen Schulabschluss und keine Berufsausbildung. Auch Paul Haubrich, Geschäftsführer des Club Aktiv, sorgt sich um die Zukunft der Qualifizierungskurse für Sozialhilfeempfänger. Seit Jahren führt der Verein Pflege- und EDV-Kurse durch, die jährlich 60 bis 80 Teilnehmern absolvieren. Die Finanzierung sei ebenfalls nur bis Mitte 2004 gesichert, sagt Haubrich. "Wir wissen nicht, wie wir das dann weitermachen sollen", so der Club-Aktiv-Geschäftsführer. Er habe sogar den Eindruck, dass die Arbeit mit den Sozialhilfeempfängern derzeit von den Arbeitsämtern "torpediert" würde. Das findet Haubrich umso erstaunlicher, als die ersten Bewilligungsbescheide für die Kurse vom damaligen rheinland-pfälzischen Sozialminister Florian Gerster (SPD) unterzeichnet worden seien. Und der ist heute Chef der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg.

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