Auf der Jagd nach Schleuserbanden

Trier · 900 Menschen, die illegal nach Deutschland eingereist sind oder sich unrechtmäßig hier aufhalten, hat die Trierer Bundespolizei 2013 aufgegriffen - 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Steigerung hängt mit einer Erhöhung der Kontrollzahl zusammen - aber auch damit, dass offenbar immer mehr Menschen die Hoffnung haben, in Deutschland ein besseres Leben zu finden.

Trier. Der Blick des jungen Mannes, der am Bahnsteig des Trierer Hauptbahnhofs steht, ist unsicher und orientierungslos. Er weiß offenbar nicht, wohin. Seine Kleidung ist neu, aber die Hose mindestens zwei Nummern zu groß, die Schuhe zu klein. "Hat derjenige dann noch große Plastiktaschen mit Aufdrucken in ausländischer Sprache dabei, werden unsere Beamten aufmerksam", erklärt Ralf Gnüchtel, Leiter der Bundespolizei Trier (siehe Extra).
Mehr als 900 Immigranten und Asylbegehrende, in Polizeisprache "unerlaubt eingereiste und unerlaubt aufhältige Personen", hat die Bundespolizei Trier 2013 festgestellt. Im Jahr 2012 waren es erst rund 600. Die Steigerung um 50 Prozent erklärt Gnüchtel vor allem mit der politischen Lage und den Kriegen in den Ursprungsländern.
Die Migranten lassen sich dabei in drei Gruppen einteilen: Mazedonier und Serben, Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten Syrien und Afghanistan und als dritte Gruppe Menschen aus Somalia, Eritrea und anderen afrikanischen Ländern. "Nicht nur Kriege oder wirtschaftliche Gründe lassen die Leute ihr Land verlassen, zunehmend sind es insbesondere in Afrika auch durch den Klimawandel bedingte Verschlechterungen der Lebensumstände", sagt Gnüchtel.
Dass die Zahl der von der Bundespolizei aufgespürten Einwanderer im vergangenen Jahr stark gestiegen ist, hängt auch mit der Verstärkung der Kontrollen zusammen. "Wir haben Schwerpunktmonate eingeführt, in denen wir unsere Kräfte auf Schleuserkriminalität konzentrieren", sagt Gnüchtel. Dass durch die höhere Kontrolldichte die Zahl der Fälle so stark angestiegen ist, weise darauf hin, dass das Dunkelfeld - also die Zahl der Schleusungen, von der die Polizei keine Kenntnis hat - groß sei.
Schleuserbanden verdienen an dem Leid und der Hoffung der Menschen auf ein besseres Leben ihr Geld: 15 000 Euro hatte in einem Fall eine serbische Familie an ihren vermeintlichen Fluchthelfer gezahlt - bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 400 bis 600 Euro in ihrem Heimatland.
Nicht nur diese, sondern mehr als 20 weitere solch größerer "Mehrfachschleusungen" hat die Bundespolizei im vergangenen Jahr in Trier auf frischer Tat entdeckt und die Schleuser festnehmen können. In vielen Fällen ist es dabei zugegangen, wie man es aus entsprechenden Spielfilmen kennt: "Es sind meist Kleintransporter ohne Fenster. Öffnet man die Tür zur Ladefläche, sitzen dann die Migranten - Familien mit Kindern oder andere Gruppen - völlig ungesichert auf dem Boden, versteckt zwischen Gepäckstücken und sonstiger Ladung", sagt Gnüchtel. Hat ein solcher Wagen einen größeren Unfall, sind die Überlebenschancen schlecht.
Am häufigsten erwischt die Bundespolizei solche Schleusertransporter in Trier-Nord, auf den Parkplätzen der Discounter im Umfeld der rheinland-pfälzischen Aufnahmestellen für Asylsuchende in der Dasbachstraße. "Die Schleuser lassen ihre Kunden dort aussteigen und schicken sie zu der Einrichtung", sagt Gnüchtel. Aus Mazedonien und Serbien sind diese Transporter drei Tage unterwegs. Manchmal sind Flüchtlinge auch seit etlichen Tagen in Verschlägen versteckt, die unter dem Karosserieboden von LKW angebaut sind. "Wir haben bei Kontrollen schon Asylbegehrende entdeckt, deren Gesundheitszustand durch die Fluchtumstände, die die Schleuser ihnen zugemutet haben, lebensbedrohlich war", berichtet Gnüchtel.
Aufmerksam werden die Beamten der Bundespolizei, wenn bestimmte Kriterien den aktuellen Fahndungsmustern entsprechen. Diese werden aus der Dokumentation zurückliegender Fälle erstellt und regelmäßig angepasst.
"Zurzeit ist es beispielsweise so, dass Migranten aus Syrien oder Afghanistan von Schleuserbanden über Griechenland und Italien häufig zunächst in Zwischenunterkünften in Pariser Vororte gebracht werden. Dort werden sie neu eingekleidet, dann geht es auf die letzte Etappe Richtung Deutschland", berichtet Gnüchtel. Diese Ermittlungserkenntnisse fließen in die Fahndung ein: Fällt der Bundespolizei ein Fahrzeug mit einem Nummernschild aus der Nähe von Paris auf, das zu einer ungewöhnlichen Tageszeit abseits der üblichen Hauptverkehrswege unterwegs ist, und gibt es zudem mehrere Insassen, die - außer dem Fahrer - neue Kleider tragen, dann passt das Fahndungsmuster, und der Wagen wird angehalten. "Natürlich liegen wir nicht immer richtig", sagt Gnüchtel. Bei den meisten Kontrollen ergäben sich keine Auffälligkeiten. "Dann erklären wir den Leuten die Sache und entschuldigen uns für die Umstände", sagt Gnüchtel.
Den Vorwurf, dass die Polizei manchmal alleine aufgrund der Hautfarbe eines Autofahrers oder seiner Insassen einen Wagen anhält, kennt der Dienststellenleiter. "Ich kann dazu nur versichern: Die Hautfarbe darf kein alleiniges Kriterium für uns sein - und ist es auch nicht - um Personen zu kontrollieren. Es kommen immer zusätzlich Kriterien oder Umstände hinzu."Extra

Deutschlandweit gibt es neun regionale Bundespolizeiinspektionen (BPOLI), eine davon in Trier. Bei der BPOLI Trier arbeiten in vier Dienststellen 260 Beamte. Sie sind zuständig für die Landkreise Ahrweiler, Altenkirchen, Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Cochem-Zell, Daun, Mayen-Koblenz, Neuwied, Rhein-Hunsrück-Kreis, Rhein-Lahn-Kreis, Trier-Saarburg, den Westerwaldkreis sowie die kreisfreien Städte Koblenz und Trier. Der Einsatzraum hat damit eine Gesamtfläche von rund 13 000 Quadratkilometern. Im Jahr 2013 hat die BPOLI Trier über 6000 Straftaten und über 2500 gesuchte Personen und Sachen, die in den polizeilichen Fahndungssystemen ausgeschrieben waren, festgestellt. Zuständig ist die Bundespolizei für vier Bereiche: Fahndung nach grenzüberschreitenden Straftaten - zum Beispiel Schleuserkriminalität, aber auch Diebstähle - im 30 Kilometer Grenzbereich zu Belgien und Luxemburg. Bahnhöfe: Bei Bahnunfällen, Sachbeschädigungen wie Graffiti auf Zügen oder wenn im Zug ein Koffer gestohlen wird oder eine Tasche unbekannter Herkunft am Bahnsteig gefunden wird, ist die Bundespolizei zuständig. Klassische Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs: Dazu gehören vorrangig die Kontrollen der Bundespolizei Trier auf dem Flugplatz Hahn, wo Personalien und Papiere aller Einreisenden aus Nicht-EU-Ländern überprüft werden. Besondere Einsatzlagen: Die Bundespolizei ist auch für den sogenannten Fan-Durchreiseverkehr bei Fußballspielen zuständig. Wenn Dortmund gegen Frankfurt spielt und die Fans im Zug das Einsatzgebiet der Trierer Bundespolizei queren, müssen die Beamten diese Durchreise sichern. "Wir stellen dabei eine Zunahme des Gewaltpotenzials fest", sagt BPOLI-Leiter Gnüchtel. "Teilweise gibt es sehr problematische Fangruppen, die sich gezielt provokativ verhalten. Unsere Einsätze in diesem Zusammenhang werden daher immer personalintensiver." Die Bundespolizei unterstützt die Landespolizei auch, wenn Fußballfans aus Koblenz zum Spiel der Trierer Eintracht anreisen und begleitet die Fans dann vom Hauptbahnhof zum Stadion. Bei solchen Fußballeinsätzen muss die Bundespolizei mit einer doppelt besetzten Schicht antreten. "Das belastet uns in unseren Arbeitsabläufen sehr", betont Gnüchtel. wocExtra

Ralf Gnüchtel ist seit rund zwei Jahren Leiter der Bundespolizei Trier. Der 39-jährige promovierte Jurist stammt aus der Nähe von Bielefeld in Nordrhein-Westfalen und lebt mittlerweile in Trier. woc

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