Auf der Suche nach einem Königreich

TRIER. "Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr", heißt es in Rilkes berühmtem "Herbstgedicht". Volker Brumm besitzt kein Haus, aber er "baut" schon mehr als zehn Jahre daran. Dabei ist Bauen eigentlich das falsche Wort, denn Volker sucht viel mehr: einen Keltenpalast im roten Moselfels.

Bis vor kurzem wohnte Volker Brumm noch in einer Höhle. Erst seit ihrem Einsturz ist er unter einen sichereren Felsvorsprung umgezogen. Es sind aber nicht die kühlen Sommertemperaturen oder die angenehme Luftfeuchtigkeit, die den 53-Jährigen zum "Höhlenmenschen" werden ließen, es ist sein Hobby. Während andere ihre Briefmarkensammlung komplettieren oder sich der Taubenzucht widmen, sucht, meißelt und gräbt Volker nach einem Keltenpalast: "Da liegt was vor der Haustür der Trierer, das kann man sich nicht vorstellen." Es sei eine Form von Märchen, sagt Volker selbst, bevor er mit dem Erzählen anfängt, "von einem, der in die Welt hinausging, ein Königreich zu finden". Das Gesicht des drahtig-dünnen Mannes mit dem wilden Vollbart ist vom Wetter gegerbt, und während seine wachen Augen einen anstrahlen, sprudeln die Worte der Begeisterung nur so aus ihm heraus. In seiner Geschichte mischen sich die wildesten Theorien zu einem unglaublichen Weltanschauungs-Püree: Donner und Thor, der Heilige Hieronymus, ägyptische Zeichen, die Kabbala, Karl Marx, und New Age. Sogar der 11. September taucht auf. "Ich weiß schon, dass sich das verrückt anhört, du brauchst mir auch nicht alles zu glauben", fährt Volker fort. Und so ist kein Thema zu abwegig, um nicht in seine Philosophie eingefügt zu werden. Der Einsiedler ist sich sicher, dass der rote Felsenkamm, der sich linksseitig der Mosel von Pallien bis Biewer zieht, eine uralte Stätte der Kelten ist. Spaziergänger und Ausflügler kennen den Felsenpfad, der sich vom Weißhaus aus, mit Maschendraht gesichert, durch den Wald schlängelt. Darunter irgendwo ringt Volker mit dem Gestein. Eine harte Arbeit. Blickt man auf seine aufgerauten, geschundenen Hände kann man erahnen, was er hier leistet. Zwei Jahre hat er allein gebraucht, um die Kuhle aus teilweise betonhartem Sediment auszuheben, an der er derzeit gräbt. "Ich bin dabei, einen Eingangsbereich zur Palastanlage freizulegen." Dabei führen ihn Zeichen im Gestein. Das kann eine Lehmschicht sein, ("die hier sieht aus wie ein Kopf"), oder er folgt dem Wasserlauf innerhalb der Felsen. Was sein Graben zusätzlich erschwert, ja sogar lebensbedrohlich macht, sind "Fallen aus großen Steinquadern, aufgebockt auf Tonsockeln", die Sicherungen der Kelten. "Die haben den Berg versiegelt und gesichert, um Eindringlinge fern zu halten." Volker selbst wurde von einer solchen Falle schon fast erschlagen. Sein Sprunggelenk war zertrümmert, der ganze Körper ein einziges Hämatom. Ein "Lebensretter" hat ihn damals aus einem Steinhaufen gezogen. Erst ein Jahr, nachdem er den Platz zum ersten Mal gesehen hatte, hat er angefangen zu graben. Noch immer spürt er die besondere Kraft und Anziehung, die ihn mit der Zeit infiziert haben. "Ich habe einfach gemerkt, dass das hier früher voll belebt war." Seitdem ist er auf der Suche, auf dem Weg zu seinem Keltenpalast. "Wenn ich die Gefahr überwunden habe, und in den Berg reinkomme, dann wird alles anders", davon ist Volker fest überzeugt. "Die Lage auf und vor dem Kamm spricht gegen eine Siedlung", entgegnet jedoch Dr. Hans Nortmann, Archäologe und Keltenexperte vom rheinischen Landesmuseum in Trier. Er stellt Volkers "Märchen" in Frage. Nortmann ist nichts über Keltensiedlungen im betreffenden Gebiet bekannt. Es sei eine unbegründete Spekulation, dort eine alte Keltenkultur zu vermuten. Und so trifft wohl auch leider die zweite Zeile in Rilkes Herbstgedicht zu: "Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben." So zumindest Volker mit seiner Meinung über die Kelten in Trier. Das stört ihn aber nicht. Er sucht und gräbt weiter, seit über zehn Jahren, jeden Tag. Denn: "Jemand, der seinen Job liebt, ist immer an der Arbeit. Nicht mit der Stoppuhr, aber kontinuierlich."

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