Auf halber Strecke außer Atem

Trier · Es sollte Vorbildcharakter haben für die musikalische Schulbildung in Rheinland-Pfalz. Mittlerweile ist das Streicherklassen-Projekt an der Grundschule Olewig (der TV berichtete) akut gefährdet. Dabei mangelt es bei Schülern, Lehrern und Eltern nicht an Interesse. Was fehlt, ist eine sichere und langfristige Finanzierung.

 Einfach, aber klangvoll: die Streicherklasse an der Grundschule Olewig. Tv-Foto: Martin Möller.

Einfach, aber klangvoll: die Streicherklasse an der Grundschule Olewig. Tv-Foto: Martin Möller.

Trier. Sie sitzen da und musizieren - ernst, fast streng. In der Streicherklasse der Grundschule Olewig bereiten sich 29 Erst- und Zweitklässler auf ihr kleines Konzert beim Schulfest am Sonntag, 8. Juni, 10 Uhr, vor. Fast alle der insgesamt 33 Schüler sind dabei. Elisabeth Krüger arbeitet penibel und Schritt für Schritt die richtigen Instrumenten- und Bogenhaltung aus. Bis schließlich das kleine Orchester beginnt zu tönen - einfach und doch wunderschön klangvoll. Aber es ist mehr als nur Klang. Krüger begnügt sich nicht damit, Kindern die Produktion von Tönen beizubringen. Über die Musik schult sie Fähigkeiten, die nur scheinbar altmodisch sind - Disziplin, Konzentration, Aufmerksamkeit, Teamgeist, akustische Sensibilität. Die bleiben sogar aktuell, wenn eines Tages das Interesse an der Geige erlöschen sollte.
Das Streicherklassen-Projekt der Grundschule wurde 2011 unter Federführung der Trierer Karl-Berg-Musikschule etabliert und mit etlichen Vorschusslorbeeren bedacht. Der Landesmusikrat erklärte es sogar zu einer Art Modell für die rheinland-pfälzischen Schulen (der TV berichtete). Mittlerweile haben sich Elisabeth Krüger, Schulleiterin Bernadette Wendling und die beim Projekt assistierenden Klassenlehrerinnen Clara Breuer-Lombardo und Carolin Bambauer auf dem harten Boden der finanziellen Tatsachen wiedergefunden. "Wir konnten das Projekt zwei Jahre lang aus einem Spendenfonds unterstützen", sagt Musikschulleiterin Pia Langer. Jetzt ist der Topf leer. Und angesichts von Defizit und Schuldenbremse gehen die Aussichten auf staatliche Finanzierung gegen null. Das Streicherklassen-Projekt gleicht einem Läufer, dem nach verheißungsvollem Start auf halber Strecke die Luft ausgeht.
Dabei bleiben die Kosten überschaubar. Sie bewegen sich im vierstelligen Bereich pro Jahr. Und Bereitschaft zur Unterstützung ist da. Neben der Musikschule haben rund zwei Dutzend öffentliche Stellen oder Privatpersonen ihre Portemonnaies geöffnet. Durch eine Anschubfinanzierung der Deutschen Orchesterstiftung und weitere Spendengelder wurden 14 Instrumente angeschafft. Vom Philharmonischen Orchester Trier kamen700 Euro. "Es wäre sehr bedauerlich, wenn dieses Projekt an fehlendem Geld scheitern würde", sagt Hartmut Karmeier, Posaunist und ehemaliger Orchestervorstand. Allerdings handelt es sich bei den Spenden meist nur um kleine Summen zwischen 100 und 200 Euro. Vor allem: Es sind einmalige Zuwendungen. Die Suche nach Spender- und Sponsorengeldern geht weiter.
Jetzt steht für die 29 musizierenden Grundschüler erst einmal das Schulfest an. Und für das kommende Schuljahr ist ein Orchester aus Kindern des (dann) dritten Grundschuljahres geplant. Voraussetzung: Die Finanzierung muss gesichert sein.
Meinung

Wie viel Kultur soll es sein?
Die finanziellen Schwierigkeiten der Streicherklasse an der Grundschule Trier-Olewig sind nur ein kleiner Stein im desaströsen Mosaik der aktuellen Kulturfinanzierung - allerdings ein markanter. Wie unter einem Brennglas verdeutlichen sie die Situation der öffentlichen Kultur angesichts schwindender Staatsfinanzen. Offenbar ist es derzeit nicht mehr möglich, selbst einen kleinen vierstelligen Jahresbetrag aufzubringen, wenn das nicht im Rahmen festgezurrter Haushaltstitel geschieht. Was auch bedeutet: Gerade neue, innovative Projekte haben die geringsten Förderungschancen. Kritik an bürokratischer Unbeweglichkeit ist dabei reichlich wohlfeil. Das Problem liegt tiefer. Wir alle leben mit der Illusion, die ganz normale Alltagskultur vom Theater über die Tuchfabrik bis zur Musikschule sei kostenlos - oder jedenfalls sehr preiswert. Davon werden wir uns verabschieden müssen. Kultur war nie umsonst. Und angesichts von Schuldenbremse und Ausgabenkürzungen werden die Bürger und ihre Vertreter in den Parlamenten entscheiden müssen: Welche und wie viel Kultur soll es sein? Und was will ich dafür aufwenden? Was die Streicherklasse angeht: Vielleicht wäre eine besonnene und ergebnisoffene Diskussion über eine Umlage unter den betroffenen Eltern nicht verkehrt. Denn deren Kinder profitieren von dem Zusatzangebot. nachrichten.red@volksfreund.de

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