"Aufreger" seit mehr als 1700 Jahren

TRIER. 100 Jahre alt ist das Foto zur heutigen "Stadtgeschichte(n)"-Folge. Dass es in Trier entstand, belegen auf den ersten Blick nur die Höhenzüge: Am Horizont sind Markuskapelle und Mariensäule zu erkennen. Freigelegte Überreste der Kaiserthermen bilden die Trümmerlandschaft im Vordergrund.

Die Kaiserthermen sorgen nicht erst seit dem Bau des neuen Entrees zum Palastgarten hin für Gesprächsstoff und Aufregung. Schon ihre Anfänge standen unter keinem günstigen Stern. Gegen Ende des 3. Jahrhunderts - Trier war frisch gebackene Kaiserstadt - begannen mitten in einem ehemaligen Wohngebiet die Bauarbeiten für den größten Bäderpalast außerhalb Roms. Der Mammut-Komplex blieb jedoch aus politischen und wirtschaftlichen Gründen unvollendet. Erst Kaiser Valentinian (364-375) nahm sich der verfallenden Bauruine wieder an und ließ sie fertig stellen. Allerdings nicht als Themenanlage, sondern in abgespecktem Volumen als Kaserne, vermutlich für seine berittene Leibgarde. Das römische Qualitäts-Bauwerk erfreute sich auch im Mittelalter vielfältiger Nutzungen. In den mächtigen Mauern residierte Triers Militärchef, der Burggraf, auf dem Ex-Kasernenhof (die heutige Palästra) entstand die Pfarrkirche St. Gervasius. Einbezogen in die spätmittelalterliche Stadtmauer, dienten die Überreste des Monumentalbaus als Eckbastion, Stadttor, Zollstelle und Gefängnis. Dahinter erhoben sich ein Wohnturm, eine Kapelle und das 1295 eingeweihte Kloster St. Agnes. Napoleons Säkularisation besiegelte 1802/03 das Ende der kirchlichen Einrichtungen: St. Gervasius wurde abgerissen und das Kloster zur Kaserne umfunktioniert. Die Bezeichnung "Kaiserthermen" ist erst seit jüngerer Zeit gebräuchlich. Die Mittelalter-Trierer hielten das antike Gemäuer für eine Burg. ("Alteburg", "Alderburg"). Nach ersten archäologischen Ausgrabungen ab 1816 unter preußischer Regie herrschte zunächst die Auffassung, man habe es mit dem römischen Kaiserpalast zu tun. Vielleicht bewog diese Annahme um 1900 den Verband der Deutschen Ziegelindustrie, den Römerbau komplett wieder zu errichten. Die Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen initiierte die lokale Protestbewegung - mit Erfolg. Die teilweise Rekonstruktion der zerklüfteten Ruine der Ost-Apsis (1983) erntete ebenfalls viel Kritik, aber die Trierer gewöhnten sich schließlich schnell und gerne an die doppelte Bogenreihe, die heute als imposante Kulisse für Open-Air-Veranstaltungen dient. Als der legendäre Fotograf Wilhelm Deuser (1861-1953) vor etwa 100 Jahren auf die Thermen-Ruine kletterte und das oben abgebildete Foto schoss, konnte er auch nicht wissen, was genau es mit dem Trümmerfeld zu seinen Füßen auf sich hatte. Erst ausgiebige Grabungen zwischen 1960 und 1966 unter Leitung von Landesmuseums-Chef Wilhelm Reusch (1908-1995) lüfteten die Baugeheimnisse der Kaiserthermen und bewogen die Stadt zum Umplanen: Zum Schutz der wertvollen römischen Baureste im Untergrund entstand das neue Theater (eröffnet 1964) nicht auf der Palästra, sondern am Augustinerhof. Heute gehören die Kaiserthermen zum Unesco-Weltkulturerbe. Wenn Sie ein historisches Foto besitzen, im TV veröffentlichen wollen und dazu eine Geschichte erzählen können, dann senden Sie beides unter dem Stichwort "Historische Fotos" mit Namen, Adresse und Telefonnummer für etwaige Rückfragen an die E-Mail-Adresse lokalredakation.trier@volksfreund.de Die Geschichte sollte maximal 60 Druckzeilen à 30 Anschläge) umfassen und das (gescannte) Foto von hinreichender Qualität sein. Die Lokalredaktion freut sich darauf.

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