Augenblick mal!

Sie ist wunderschön. Ich bin auf dem Weg zur Kantine, da kommt sie um die Ecke des Gebäudes. Und einen Augenblick zu lang verweilt mein Auge auf ihr. Zu lang jedenfalls, um es eine Begegnung bleiben zu lassen, wie wir sie tausendmal am Tag erleben, Begegnungen ohne Spuren.

Sie schaut mich an - und grüßt! Kennt sie mich? Oh Schreck, müsste ich sie nicht auch ken-nen? In Sekundenbruchteilen gibt mein Auge ein Fahndungs-bild ans Gedächtnis, und mein Gehirn durcheilt alle seine Windungen, um eine korrekte Antwort mit Anrede und Namen zu ermöglichen. Eine ehemalige Konfirmandin? Wie müsste sie damals ausgesehen haben, wenn sie sich zu dem Gesicht der heutigen Begegnung entwickelt hat? Nein. Auch niemand aus einer der unterrichteten Schulklassen. Jemand aus dem Geschäft, in dem ich einkaufe? Ich finde in der Eile keine Antwort. Ich erfinde ein "Entschuldige, ich habe Dich nicht erkannt." Sie bleibt stehen. Wendet sich mir zu und antwortet: "Ich kenne Sie auch nicht. Ich wollte nur höflich sein." Da hatte ich's: Meine Unbehol-fenheit wurde mit Höflichkeit überwunden. Aber auch ein Beispiel misslun-gener Kommunikation. Warum so kompliziert, so verschlungen? Deine Rede sei "ja, ja" und "nein, nein", rät uns ein Menschenkenner. Die Unkompliziertheit, die Wahrheit ist der beste Freund der Verständigung. Wenn das schon für die gilt, die sich noch nicht kennen gelernt haben, um wie viel mehr dann für all diejenigen, die schon jahrelang miteinander umgehen? Pfarrer Matthias Jens Auf Mohrbüsch 4 54292 Trier

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