Augenzeugen berichten von Amokfahrt „Die Schreie werde ich so schnell nicht wieder los“

Trier · Schüler gehen nach Hause, Menschen machen Mittagspause, Mitarbeiter beraten Kunden, Freundinnen wollen bummeln gehen. Sie alle werden Zeugen der Amokfahrt in der Trierer Fußgängerzone. Dem TV haben sie ihre Erlebnisse geschildert.

Augenzeugen berichten von der Amokfahrt von Trier
Foto: Roland Morgen

Fassungslosigkeit herrscht auch Stunden nach der Amokfahrt bei den Menschen, die mit dem Trierischen Volksfreund über ihre Erlebnisse sprechen.

Sie berichten vom Entsetzen über das, was sie gesehen haben, und der Erleichterung, mit einem Schock davongekommen zu sein – auch wenn diese Erkenntnis einigen erst später bewusst wird.

Die Fußgängerzone in Trier am späten Abend nach der Amokfahrt
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Der Tatort am späten Abend nach der Amokfahrt

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Foto: TV/Hans-Peter Linz

Therese Eßler (42) aus Trier-Pfalzel berichtet: „Ich war mit meiner Mutter, meiner Tante und einer guten Bekannten in der Mittagspause in der Innenstadt unterwegs. Wir waren gerade vor dem neuen Woolworth am Pranger, da hörten wir plötzlich aus der Palaststraße Schreie und einen Riesenknall. Und dann kam schon das Auto angerast. Ich konnte meine Mutter noch gerade so zwischen die Warenkörbe vor Woolworth schubsen, dann streifte mich das Auto an der Ferse. Der Wagen war wahnsinnig schnell und fuhr zickzack – so, als wolle er alles erwischen, was möglich ist. Wir sahen, wie das Auto gegen eine junge Frau prallte, die dann durch die Luft flog – vom Einrichtungsladen Depot mehrere Meter weit bis zur Drogerie Müller. Es war schrecklich. Auch andere Leute, die erwischt wurden, flogen wie Puppen durch die Gegend. Am Hauptmarkt lag ein umgestürzter Kinderwagen, daneben ein Mann und ein Baby. Das sind Bilder, die ich nie wieder vergessen werde. Man fragt sich, was in so einem Menschen vorgehen muss, der das macht.“

Mit einem Großaufgebot sind die Helfer vor Ort und versorgen die Verletzten. Auch Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

Mit einem Großaufgebot sind die Helfer vor Ort und versorgen die Verletzten. Auch Rettungshubschrauber waren im Einsatz.

Foto: Roland Morgen

Eine andere Triererin (40) ist zur Tatzeit mit ihrer Freundin und ihren Kindern in der Innenstadt unterwegs. „Als wir zum Hauptmarkt kamen, muss es gerade Sekunden vorher passiert sein. Menschen kamen uns schreiend entgegen. Vor unseren Augen lagen mindestens vier Menschen auf dem Boden. Erst dachten wir, es habe eine Schlägerei oder Schießerei gegeben. Dann hörten wir, dass ein Auto die Menschen überfahren hat. Meine Beine haben gezittert, wir standen unter Schock. Wir konnten uns erst mal nicht von der Stelle bewegen.“ Körperlich gehe es ihnen gut, sagt die Frau im Gespräch mit dem TV, psychisch nicht.

Zur Tatzeit sind viele Schüler in der Stadt unterwegs, eine Schülerin einer zwölften Klasse berichtet, dass sie Schreie gehört und deshalb schnell in die Schule gelaufen sei. In vielen Klassen-Chats machte das Geschehen schnell die Runde.

Die Schulen in der Innenstadt werden offenbar umgehend über den Vorfall informiert. In der Ausonius-Grundschule beispielsweise müssen am Nachmittag alle Schüler im Gebäude bleiben. Die Eltern erhalten kurz nach 14 Uhr einen Anruf, dass es eine Amokfahrt mit mehreren Verletzten in der Innenstadt gegeben habe und heute kein Kind alleine nach Hause gehen dürfe. Sie sollen ihre Kinder abholen.

Eine Passantin berichtet, dass ihre 13-jährige Enkelin zusehen musste, wie ein Auto vom Hauptmarkt Richtung Porta durch die Fußgängerzone gefahren ist. Das Auto habe mehrere Menschen erfasst.

Ein Mann aus Schwäbisch-Hall möchte gerade seine Pommes essen, „als es einen Mordslärm gab“. Zunächst habe er vermutet, dass ein LKW oder sogar der Kran in der Grabenstraße umgekippt sei. Dann habe er einen Wagen gesehen, der mit hoher Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone gerast sei. „Der hat einfach alles umgefahren, was ihm in den Weg kam.“

Am Hauptmarkt sei ein Kinderwagen durch die Luft geflogen, berichtet eine weitere Augenzeugin. Sie hat die Amokfahrt aus ihrem Laden am Hauptmarkt beobachtet. Menschen hätten geschrien und seien in Panik in ihr Geschäft geströmt.

Später machen die Geschäfte zum großen Teil ihre Türen zu und lassen Kunden nicht mehr hinein – es sind ohnehin nicht mehr viele Menschen in der Stadt unterwegs. Mehrere Passanten weinen.

Rettungskräfte kümmern sich um ein Opfer der Amokfahrt.

Rettungskräfte kümmern sich um ein Opfer der Amokfahrt.

Foto: Roland Morgen
Auf dem Straßenpflaster in der Fußgängerzone liegen zwei Geschenkpäckchen.

Auf dem Straßenpflaster in der Fußgängerzone liegen zwei Geschenkpäckchen.

Foto: TV/Clemens Sarholz

Die Ladeninhaber bitten auf improvisierten Schildern um Verständnis. „Aus aktuellem Anlass wegen des schrecklichen Vorfalls in der Trierer Innenstadt müssen wir unser Geschäft leider spontan schließen“, heißt es an der Tür des Kinderschuhladens „Der kleine Berg“. „Passt auf euch auf!“, fordert das Team vom Blue Tomato Shop Trier. In vielen Geschäften der Fußgängerzone werden Kunden und Mitarbeiter im Ladeninneren gezwungenermaßen Zeugen des Geschehens; eine Mitarbeiterin sagt: „Die Schreie werde ich so schnell nicht wieder los.“

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