Ausflug auf harte Holzbänke

TRIER. Nur Großeltern wissen noch aus eigener Erfahrung, was Schule einstmals bedeutete: Strenge und Enge. Jetzt begaben sich Trierer Schüler auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Schauplatz: das "Historische Klassenzimmer" der Grundschule Matthias.

Das Abschreiben fällt bei einer solchen Enge leicht. Zu zweit hocken die Kinder auf harten Holzbänken, an denen abgewinkelte Schreibtische angebracht sind. 23 von ihnen sind dicht an dicht zusammengestellt. Dabei reicht der Platz zwischen den Bänken gerade aus, um sich seitlich vorbeizudrücken. "Ziemlich eng", stöhnt einer der Schüler.Wer stört, muss in der Ecke stehen

"Wir hatten ja auch nicht solche dicken Ranzen und Schreibmäppchen wie ihr", entgegnet Werner Karsten und verweist auf die (freie) Fensterreihe. "Da konnten früher auch Tische stehen", erinnert sich der Direktor der Grundschule Matthias an seine eigene Kindheit. Schule vor 50 Jahren und noch früher: der Lehrer hoch auf dem Podest, die Schüler in Reih und Glied. Etwas von Dr. Hans Pfeiffer - "mit drei F" - klopft im Hinterkopf an, wenn man das "Historische Klassenzimmer" in Trier-Süd betritt. "Spannend ist das hier", sagt der kleine Simon. Und, dass er sich natürlich die Feuerzangenbowle angeschaut habe. Der Schüler gehört der dritten Klasse der benachbarten Barbara-Grundschule an. Mit der "Zeitreise" bringen Simon und seine Schulfreunde das Klassenprojekt "Alte Schule" zum Abschluss. Den Großeltern und deren Erzählungen haben sie gelauscht, alte Fotos eingesehen. "Früher sahen alle Klassenräume so aus wie dieser", erinnert sich Karsten. Dass der Raum in dieser Form überhaupt existiert, verdankt die Schule Eltern und Lehrern, die in den 80er-Jahren alte Möbel und Schulmaterialien vom Dachboden retteten. Platz hat die Grundschule genug: Im 1914 erbauten, gewaltigen Backsteinbau lernte damals eine weitaus größere Zahl an Kindern als heutzutage. Simons Klassenlehrerin Melanie Seichter übt Mathe-Aufgaben. Neben ihr steht ein überdimensionaler Rechenschieber. An den Wänden grüßen Kaiser und Papst aus seligen Zeiten. Ihnen gegenüber, im Rücken der Schüler, warnt "Prof. Dr. Raschkes Tafel giftiger und verdächtiger Pilze". In einer mannshohen Vitrine sieht eine ausgestopfte Ente die Jahrzehnte ins Land ziehen, daneben eine Balkenwaage. "Man kriegt ja Angst, gleich herunterzufallen", kommentiert Seichter das erhöhte Lehrerpodest, von dem aus sie ihre Zöglinge im Auge behält. Es quietscht. Dennis und Piet scheinen Spaß an ihren alten Schreibtafeln zu haben, als sie den Griffel ansetzen. "Früher war Schönschrift ein Schulfach", merkt Karsten an, während die Kinder zu Feder, Tusche und Farbklecksen wechseln. An ihrer Seite führt das Alphabet der Sütterlinschrift "altes" Schreiben vor. Marius würde trotzdem lieber mit dem eigenen Klassenraum tauschen. "Der Raum ist anders", sagt die kleine Kira. "Alt eben". Auch eine Erinnerung an "historische" Strafen: Als eine Schülerin bei den Mathe-Aufgaben nicht mitrechnen will, gibt's eine Ermahnung. Karsten: "Früher hättest du bei einem solchen Verhalten gleich in der Ecke stehen müssen." Info: Die Grundschule Matthias stellt den Raum allen interessierten Schulklassen zur Verfügung; Telefon 0651/30625.

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