Avantgardistische Akustik-Akrobaten

TRIER. Ihre Musik stilistisch einzuordnen kommt einer Sisyphusarbeit gleich. Denn mit fast jedem neuen Takt setzen die israelische Sängerin Efrat Alony und ihre zwei Instrumentalisten andere klangliche Akzente. Ihr Talent bewies die Sängerin bei einem Jazz-Konzert in der Tuchfabrik im Rahmen der deutsch-israelischen Kulturtage.

 Wie in einer anderen Welt: Sängerin Efrat Alony und ihre zwei Musikerkollegen boten den Zuhörern in der Trierer Tuchfabrik ein völlig neues Klangerlebnis. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Wie in einer anderen Welt: Sängerin Efrat Alony und ihre zwei Musikerkollegen boten den Zuhörern in der Trierer Tuchfabrik ein völlig neues Klangerlebnis. TV-Foto: Kim-Björn Becker

Schon immer war Musik klischeebehaftet. Traditionelle jüdische Musik zum Beispiel kommt ja nie ohne Geige oder Klarinette aus. Und elektrische Musik klingt wie eine rostige Maschine, denn sonst wäre sie ja nicht elektrisch, richtig? Falsch! Die in Israel geborene und in Berlin lebende Efrat Alony zeigte mit ihren unkonventionellen Kompositionen und deren teilweise akrobatischen Umsetzungen auf der Bühne, dass das Korsett klassischer Genres nicht selten viel zu undifferenziert ist, um zeitgenössische Kompositionen zu erfassen. Ihre Musik bezeichnet sie als "eher elektrisch-experimentellen Singer-/Songwriter-Kammermusik-Pop" - und liegt mit der bewussten Abgrenzung ihrer Musik durch die Verschmelzung verschiedener Stile im allgemeinen Crossover-Trend. Avantgardistisch kann man die Tonkreationen aber schon deshalb nennen, weil sie nicht nur zwei Stile miteinander kombiniert, sondern unzählige. Schon das erste Stück, der "Song of Comfort", steigt mit einer Fülle an technischen Effekten ein. Die starke und nicht selten melancholische Alt-Stimme der israelischen Sängerin wird durch Echo-Effekte verklärt, psychedelische Computer-Klänge erzeugen eine transzendente Atmosphäre im gut gefüllten Großen Saal der Tufa. Der 31-jährige Düsseldorfer Pianist Mark Reinke bearbeitet nicht nur die 88 Tasten des schwarzen Flügels perfekt, sondern zeitgleich auch noch das im rechten Winkel aufgebaute Keyboard und den wiederum darauf positionierten Synthesizer, der auf Knopfdruck elektrische Beats und sphärische Klänge produziert. Um den Klang des Pianos an bestimmten Stellen zu verändern, beugt er sich in den großen Klangkörper hinein und hält die Finger auf die anzuschlagenden Saiten, die dadurch einen dumpf-schwingenden Klang erzeugen. Der ebenfalls in Düsseldorf geborene Schlagzeuger Christian Thomé behält nicht nur den Überblick über den Bestand seiner unzähligen Schlagstöcke, sondern setzt diese auch ausgesprochen kreativ ein: So entsteht neben den traditionellen Beats durch das "Abziehen" eines dünnen Metallstabs an der Kante des Beckens ein metallenes Zischen. Die Einzelleistungen der Musiker treten, mit Ausnahme von prägnanten Soli, hinter dem Gesamtklangbild zurück.Wehrdienst musikalisch umgesetzt

Mit ihrer getragenen Alt-Stimme schafft die Sängerin Alony den Spagat zwischen der traurigen Atmosphäre bei "She's leaving Home" oder "Silent Seekers" und den etwas schnelleren hebräischen Liedern wie beispielsweise "Nueva" oder "Michaela", die die Zuhörer sogar zum Mitklatschen animieren. Auch einzelne Episoden aus ihrem Leben verarbeitet sie in den Texten: Ihr zweijähriger Wehrdienst in Israel findet beispielsweise im leise-melancholischen Song "Silent Seekers" Anspielung. Die außergewöhnlichen Klänge versetzen die Zuhörer in ungewohnte Sphären - fernab der gewohnten Töne, die Radiostationen einem breiten Publikum alltäglich über den Äther schicken.

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