Bäcker fürchten brotlose Kunst

TRIER. "Back-Factory" kommt nicht nach Trier. Der Discount-Bäcker hat seine Pläne für die Fleischstraße offenbar in letzter Minute gestoppt. In der Bäcker-Innung reagiert man erleichtert auf die Nachricht aus Hamburg, rechnet jedoch weiter mit der billigen Konkurrenz.

Das Debüt des backenden Discounters schien unmittelbar bevorzustehen: Mit Plakaten warb Back-Factory bis vor wenigen Tagen um Personal für seine geplante Filiale in der Fleischstraße; von der Reinemachefrau bis zur Filialleiterin reichten die Stellenangebote. Dann die überraschende Wende: "Wir kommen nicht nach Trier", sagte eine Sprecherin von Back-Factory auf TV -Anfrage. Gründe für den abgeblasenen Start nannte sie nicht. Und auch die Frage, ob Back-Faktory weiterhin am Standort Trier interessiert sei, wollte die Sprecherin nicht beantworten: Das wisse nur der "Expansionsleiter", und der gebe grundsätzlich keine Auskunft. Nach TV -Informationen scheiterte das Vorhaben nicht an den Mietforderungen des Ladenbesitzers.Regionale Filialisten kontrollieren den Markt

Ofen aus? Der Obermeister der Bäckerinnung Trier-Saarburg, Michael Borens, reagierte verhalten erleichtert auf die Nachricht: Ein "kleiner Lichtblick nach den permanenten Hiobsbotschaften" sei der Rückzieher von Back-Factory, doch sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Discount-Bäcker den Trierer Markt ins Visier nähmen. Was den noch verbliebenen Trierer Bäckern dann bevorstünde, zeigt das Beispiel Back-Factory anderenorts: Ende 2002 gestartet, zählt der Hamburger Discounter schon jetzt 30 Filialen bundesweit. "Ofenfrisch und preiswert" lautet der Anspruch, und Branchenkenner attestieren dem Unternehmen, "qualitativ hochwertige" Backwaren zu liefern. Doch vor allem die Masse macht's: zentral und in riesigen Mengen werden die Waren vorgebacken und als so genannte Teiglinge - angeblich täglich - in die Filialen geliefert. Beim Fertigbacken kann der Kunde dann zuschauen. Auch das gehört zum Prinzip Back-Factory: In Kantinenambiente sucht sich der Kunde seine Backwaren aus dem reichhaltigen Sortiment zusammen und bringt diese auf dem Tablett zur Kasse. Selbst beim Brotschneiden ist Eigeninitiative gefragt - spezielle Maschinen stehen dafür bereit. Mit ihrem Konzept konnte Back-Factory die handelsüblichen Brot- und Brötchenpreise praktisch halbieren. Auch die Biebelhausener Mühle, größter Brotfabrikant der Region, ist erleichtert über den Hamburger Rückzieher. Wohl auch, weil Back-Factory just jenes leer stehende Ladenlokal im Visier hatte, das direkt an eine ihrer Filialen grenzt. Die Biebelhausener Mühle rechnet gleichwohl mittelfristig mit "ein bis zwei Discountern" auf dem Trierer Markt. Den Niedergang des Bäckerhandwerks würden die Discounter wohl beschleunigen, aufhalten ließe sich der Trend hin zu Fabriken und Ketten aber nicht. Das zeigt auch ein Blick auf die Zahlen: Gab es im Stadtgebiet vor 25 Jahren noch über 70 selbstständige Bäckereibetriebe, sind es heute noch 14. Regionale Filialisten kontrollieren fast den gesamten Markt, allen voran die Biebelhausener Mühle, die selbst in einem Baumarkt Fuß gefasst hat. In nahezu jedem der in den letzten Jahren neu eröffneten Lebensmittelmärkte der Stadt ist das Unternehmen präsent. Das kommt der All-Inclusive-Mentalität der meisten Konsumenten entgegen. Obermeister Borens hat schon vor Jahren eine "sehr negative Stimmung" in der Bäckerinnung ausgemacht. Dass ein einfacher Handwerksbetrieb nicht täglich 20 verschiedene Brotsorten anbieten könne, sei ebenso schwer zu vermitteln wie eine moderate Preisanhebung. 423 Jahre nach Erlass der Trierer Bäcker-Zunftordnung scheint sich der klassische Handwerkbetrieb zur brotlosen Kunst zu entwickeln.

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