Bahnkörper wurde ins Stadtbild einbezogen

Geschichte

Zur Serie "Trierer Straßen":

Sie schreiben, die Trierer Adelheidstraße sei nur auf einer Seite, der westlichen, bebaut; die andere Seite sei der Bahndamm. Ihre Beschreibung trifft natürlich zu, aber nur so lange, wie man nicht die Seniastraße als Pendant zur Adelheidstraße auf der östlichen Seite des Bahndamms in die Betrachtung einbezieht, deren östliche Straßenseite mit Wohnungen bebaut ist.
An dieser Stelle ist als einmalige Lösung in Trier um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Versuch gelungen, den Bahnkörper in das Stadtbild einzubeziehen. Während sich überall sonst die Trasse der Bahn als Fremdkörper in die Bebauung einschneidet, liegt hier der Bahnkörper symmetrisch zwischen der Adelheidstraße und der Seniastraße, deren Bebauung auf beiden Seiten die leichte Krümmung des Bahndamms nachvollzieht.
Es muss schon eine gelungene Koordination zwischen den Behörden der Bahn und den städtischen Ämtern gegeben haben, wie sie im übrigen Stadtbild nicht mehr vorzufinden ist. Was heute gar nicht mehr vorstellbar ist: Auf beiden Seiten sind die Repräsentationsräume der Wohnungen zur Bahn hin orientiert, die der Adelheidstraße nach Osten und die der Seniastraße nach Westen. So, als sei der Blick zur Bahn hin ein besonderer Wert an sich.
Möglicherweise ist die bewusste Inwertsetzung des Bahnkörpers auf seine patriotische Funktion als Teilabschnitt von des Kaisers Kanonenbahn von Berlin nach Metz anzusehen, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg viergleisig von der Pfalzeler Brücke bis nach Konz-Karthaus durch die Trierer Bebauung zog. Das westliche Gleispaar ab Konz in Richtung Luxemburg und - als Kanonenbahn - entlang der Obermosel in Richtung Metz, das östliche Gleispaar in Richtung Saarbrücken. Und beide Gleispaare waren jeweils über einen Mittelbahnsteig durch das prächtige Gebäude des Bahnhofs Trier-Süd zu erreichen.
Demgegenüber bietet die Station Trier-Süd mit ihrem verschmullten Treppenzugang und ihrem verbliebenen westlichen und leicht verwahrlosten Mittelbahnsteig fast so einen traurigen Anblick wie der ehemals noch prächtigere Bahnhof Konz-Karthaus.
Raimund Scholzen
Trier

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