Bedrückende Erkenntnis

Zur Berichterstattung über "Trier spielt":

Als "ideale Plattform, um mit vielen Trierern und ihren Gästen aus nah und fern den 2020. Geburtstag der Stadt zu feiern" beschrieb der Trierische Volksfreund am Samstag "das große Familienspielfest 'Trier spielt'" - und so waren denn auch allerorts fröhliche Stimmen, unterschiedlichste Sprachen, Musik und Kinderlachen zu hören. Und dumpfe Trommeln, untermauert von marschierenden Springerstiefeln und Hetzparolen. Denn irgendjemand, in welchem Amt auch immer, hatte die sinnvolle Idee gehabt, zu diesem einträchtigen Ereignis doch auch die Neonazis einzuladen. Stilvoll organisiert in einem Aufmarsch der NPD. Warum auch nicht? Schließlich wollte man ja, so war weiter im TV zu lesen, "mit den Besuchern auf eine Zeitreise durch verschiedene Jahrhunderte gehen und dabei zeigen, wie und was man in den verschiedenen Zeitepochen spielte". Im Dritten Reich spielte man, glaube ich, Marschmusik, mit den Hoffnungen und dem Leben der Menschen. Lachen wurde im Krieg und in den KZs erstickt. Wenn auch die Neustraße verschont blieb von dieser grotesken Mischung aus NPD-Demonstration und Familienfest, die so unbegreiflich gedankenlos und kurzsichtig, schlichtweg dumm zustande kam. Allein der Gedanke an diese traurige Tatsache ließ in uns Wut und absolutes Unverständnis aufkommen. Schlimm genug, dass diese Partei, durchsetzt von einer menschenverachtenden Ideologie, immer noch nicht verboten ist, dass sie überhaupt noch Demonstrationen organisieren darf; entsetzlich die Vorstellung von einem Marsch posierender Idiotie und der damit verbundenen Ausstrahlung von Aggression und Gewalt inmitten eines Festes für Kinder, vor dem Lachen, den Blicken und Seelen der Kinder. Am schlimmsten ist jedoch die bedrückende Erkenntnis, dass zwar viele ihre Betroffenheit, Traurigkeit und Wut bekundeten, sich jedoch trotzdem kaum jemand öffentlich äußern wird - über die missratene Planung in der Zusammenlegung von Kinderfest und Neonazi-Aufmarsch und über das Faktum organisierten, gewaltbereiten Fremdenhasses in Deutschland, in unserem Land. Einem Land, dessen Zukunft in den Händen der Kinder liegt, deren Fröhlichkeit am Samstag zeitweise von Parolen, die jeglichen Verstand, jegliche Vernunft entbehren, übertönt wurde. Fragt sich, wie viel von letztgenannten Eigenschaften die Damen und Herren der Stadt besitzen. Solange niemand gegen diese Missstände aufbegehrt, wird so etwas immer wieder passieren, immer weitere Kreise ziehen und die Gesellschaft immer stärker vergiften können. Armes Deutschland. Annika Hand, Trier Aloysia Melchior, Trier Vorsitzende der IG Neustraße

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