Bedrückt in der Judengasse, frech vorm Dom

Wenn Triers Spielmann Andreas Sittmann vor der Porta Nigra frohgelaunt die Vagabunden-Hymne "Heute hier, morgen dort" anstimmt, bleiben viele stehen und hören zu.

 Die Laute, das Barett und das geschnürte Leinenhemd sind sein Markenzeichen: Bänkelsänger Andreas Sittmann im Palastgarten vor herbstlicher Kulisse. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Die Laute, das Barett und das geschnürte Leinenhemd sind sein Markenzeichen: Bänkelsänger Andreas Sittmann im Palastgarten vor herbstlicher Kulisse. TV-Foto: Sandra Blass-Naisar

Trier. Da steht er im geschnürten roten Leinenhemd, auf dem Schopf das Barett aus blauem Samt und im Arm die Laute, die schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat: Sie sind die Markenzeichen des Trierer Spielmanns Andreas Sittmann.

"Bei meinen Touren versuche ich, die Menschen mitzunehmen auf meine Reise durch die lange Geschichte dieser Stadt", sagt der in Mehring an der Mosel geborene Liedermacher, während er genussvoll den Schaum seines Milchkaffees löffelt. "Ich erzähle auch von mir, von verflossenen Liebschaften, spicke meine Erzählungen mit Histörchen und Anekdoten und flechte je nach Anlass meine Spielmannsverse ein." Vor dem frühgotischen Dreikönigenhaus ist es das kölsche weihnachtliche "Dreikönigslied", in der Judengasse das melancholisch-traurige "Donna Donna". "Das ist eines meiner Lieblingsstücke", sagt Sittmann. "Es erzählt von einem Kälbchen, das sich nicht wehrt, als es zur Schlachtbank geführt wird. Zwei jüdische Künstler hatten es während des Nationalsozialismus in jiddischer Sprache geschrieben. Donovan hat den Song Jahre später populär gemacht."

Vor dem Dom packt der Minnesänger regelmäßig das rotzfreche Lied der Freifrau von Droste-Vischering aus, "die anno 1844 zum heil'gen Rock nach Trier ging" und den Rock mit ihren Krücken anfleht: "Hilf mir bei deinem Lichte. Ich bin des Bischofs Nichte!"

Der Troubadour mit der Laute versteht sein Handwerk. Er lenkt und leitet seine Zuhörer, verknüpft Geschichte mit Gefühlen, so dass sie tief ins Gedächtnis eindringen. "Wenn die Leute mit einem Lächeln nach Hause gehen, dann habe ich es geschafft!"

Weil Musik sein Leben ist, verwirklicht sich Sittmann auch in anderen Bandprojekten. Seit 18 Jahren spielt er Irish Folk bei den Rambling Rovers, American Folk bei Gold Rush, und mit der türkischstämmigen Selate Serter hat er im Duo The Song-Travelers Lieder aus europäischen Ländern zusammengetragen. Allein im September kamen so rund 30 Auftritte zusammen.

Mit spitzbübischem Jungengrinsen setzt er sich das Barrett auf den Kopf, greift zur Laute, wirft sich in Positur fürs Foto und blickt erwartungsvoll grinsend auf seine Armbanduhr: Der nächste Termin wartet. Und auf den hat er sich schon die ganze Woche gefreut. Whisky-Verkostung auf der Kyrburg hoch über Kirn mit Dudelsack und Bänkelgesang. "Heute hier, morgen dort" - singt's und ist schon wieder fort.

Extra Bänkelsänger-Touren (mit Andreas Sittmann oder Walter Liederschmitt) sind über die Tourist-Information Trier zu buchen ( www.tit.de) oder über die homepage www.andreas-sittmann.de und www.voltaire-wohltaehr.de. Die Führungen dauern etwa zwei Stunden. (sbn)

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