Beeindruckend schwer wie der Tango

Trier · Was bestimmt unser Leben? Über diese Frage philosophieren zwei einander völlig fremde, unterschiedliche Männer in einem argentinischen Park. Das Besondere: Die Männer sind eigentlich Frauen, und sie sprechen spanisch miteinander, obwohl die Schauspielerinnen Deutsche sind.

 Wenn Frauen zu Männern und Deutsche zu Argentiniern werden: Ein blinder alter Mann und ein Banker in der Midlife-Crisis philosophieren auf Spanisch über das Leben. TV-Foto: Regina Lüders

Wenn Frauen zu Männern und Deutsche zu Argentiniern werden: Ein blinder alter Mann und ein Banker in der Midlife-Crisis philosophieren auf Spanisch über das Leben. TV-Foto: Regina Lüders

Trier. In einer ungewöhnlichen Inszenierung hat die chilenische Künstlerin Carolina Fuentes-Lillo ihre aktuellen und ehemaligen Sprachschülerinnen auf die Bühne im kleinen Saal der Tufa gebracht. "Dabei war das ursprünglich gar nicht geplant: Wir wollten einfach einmal andere Wege beim Spanischlernen gehen, um Sprache und lateinamerikanische Kultur wirklich zu erfahren", erzählt die Regisseurin.
Insgesamt drei Jahre lang ist das Stück, das auf dem ersten Akt des Schauspiels "Cita a Ciegas" (Blind Date) von Mario Diament basiert, so gewachsen. Mit den beiden Hauptdarstellerinnen ist Fuentes-Lillo sogar zusammen an den Ort des Geschehens nach Buenos Aires gereist, um Sprache, Lebensgefühl und den Tango als musikalisch-visuellen Begleiter des Bühnengeschehens hautnah zu erfahren.
Das ursprünglich rein dialogische Zwei-Personen-Stück erfährt in der Tufa-Version szenische Auflockerung durch schattenhafte Zwischenspiele aus Tango und Rezitation. "Es geht auch darum, dem Gedanken der parallelen Wirklichkeiten zu folgen", erklärt Fuentes-Lillo. Ein mittlerweile blinder alter Mann, der eine "Liebe auf den ersten Blick" von vor fünfzig Jahren nicht vergessen kann, und ein leitender Bankangestellter in der Midlife-Crisis, dessen Welt zerbröckelt, als seine betrogene Ehefrau ihn verlässt, philosophieren über das Leben und die Bedeutung der großen Liebe in einer oft beziehungsarmen Welt.

Übersetzung ins Deutsche


Die Darbietung der Laienschauspielerinnen beeindruckt. Elektronische Übertitel helfen auch Spanisch-Unkundigen, der Handlung zu folgen. Fantasie und Verzweiflung, der Wunsch nach wunderbaren Wendungen und die Hoffnungslosigkeit, nachdem die Jugend vorbei und die große Liebe verloren ist, tanzen hier miteinander - in verschiedenen Szenen ganz plastisch mit professionellen Tangoeinlagen, während die zwei verlorenen Lieben als weiß gekleidete Frauen über die Bühne und durch die Köpfe der Handelnden geistern.
Das Publikum im restlos ausverkauften kleinen Saal der Tufa ist bunt gemischt, und es quittiert die außergewöhnliche Theater idee mit begeistertem Schlussapplaus. Tonio Bourgeal aus Venezuela ist angetan: "Eine wirklich schöne Geschichte, die in Struktur und Aufbau, im Zusammenspiel von Text und Musik interessant erzählt wird", findet er.
Spanischschülerin Henriette aus Trier gibt zu, bei der sprachlichen Herausforderung an ihre Grenzen geraten zu sein: "Aber das Stück hat mir trotzdem sehr gut gefallen", sagt sie, genau wie die Bolivianerin Sandra Hermann: "Ich bewundere den Mut, als Deutsche mit so schwierigen spanischen Texten aufzutreten. Sie haben das fantastisch gemacht, und die Aufführung mit ihren abwechslungsreichen Szenenwechseln ist genial."
Im Herbst will die Gruppe das Stück "Cita a Ciegas" noch ein paar Mal aufführen. Dann bekommen auch die etlichen Interessierten, die an der Abendkasse keine Karte mehr ergattern konnten, ihre Chance zum Blind-Date. rcl

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