Befriedigung durch Erschrecken

Immer wieder kommt es auch in der Region Trier zu exhibitionistischen Handlungen. Der Trierische Volksfreund hat einen Experten der Universität Bonn nach Hintergründen zu solchen Taten befragt.

 Wie auf diesem Symbolbild entblößen sich Exhibitionisten beispielsweise vor Passanten. Foto: iStock

Wie auf diesem Symbolbild entblößen sich Exhibitionisten beispielsweise vor Passanten. Foto: iStock

Trier. Ein unbekannter Mann reißt die Fahrertür eines geparkten Autos auf, entblößt sich vor der Fahrerin und flüchtet. Was animiert einen Menschen zu einer solchen Tat, und was will er damit erreichen?

Solche Vorfälle sind nicht selten (siehe Chronik). Allein im Jahr 2008 verzeichnet die Statistik des Polizei-Präsidiums Trier 22 exhibitionistische Handlungen vor Kindern und 64 weitere in der Region. Der entsprechende Paragraf bezieht das Delikt ausdrücklich auf Männer als Täter - ein Ausnahmefall in der deutschen Gesetzgebung (siehe Hintergrund).

Exhibitionismus (von lateinisch exhibere: darbieten, zeigen) ist keine Krankheit im engeren Sinne. Laut Dr. Alexander Schmidt von der Universität Bonn handelt es sich dabei um "eine psychische Störung, bei der sexuelle Vorlieben dahingehend verändert sind, dass eine ,normale' Sexualität nicht mehr oder zunehmend erschwert als befriedigend erlebt wird". Deshalb werden andere Mittel zur Steigerung der sexuellen Erregung herangezogen, wie zum Beispiel Kinder oder Gewalthandlungen.

"Die meisten Exhibitionisten empfinden das Vorzeigen ihrer Geschlechtsteile als einen schwer zu kontrollierenden Drang. Sie erleben dies teilweise auch als ungewollt und nicht zu sich selbst gehörend", erklärt Dr. Schmidt. "Das Ausmaß der erlebten Erregung hängt dabei oft vom Erschrecken des Gegenübers ab." Ziel des Täters ist also, die eigene sexuelle Erregung zu steigern, um oftmals angestaute Spannungsgefühle zum Beispiel wegen privater Probleme zu reduzieren. Solche Probleme müssen nicht zwangsläufig sexuellen Charakter haben, sondern können auch aus anderen Zusammenhängen resultieren.

Über die Ursachen von Exhibitionismus gibt es viele Theorien, ohne dass sich ein klares Bild abzeichnet. Es bedarf meist vieler Faktoren, die zur Ausbildung der Störung führen. Unter anderem können hier auch Erlebnisse in der Kindheit eine Rolle spielen, die erhöhte Ängstlichkeit oder Probleme beim Eingehen von Beziehungen zur Folge haben.

Aus kriminologischer Sicht sind Exhibitionisten eine eher ungefährliche Gruppe - sofern nicht andere psychische Probleme hinzukommen, wie eine Sucht oder Persönlichkeitsstörung. Nur selten kommt es zu Übergriffen und Handgreiflichkeiten durch reine Exhibitionisten. Vergewaltigungen sind eher nicht zu erwarten. Exhibitionismus ist mit einer Verhaltenstherapie behandelbar, aber es besteht eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit. HINTERGRUND Rechtslage: Wenn es nach Altkanzler Gerhard Schröder ginge, gäbe es im Hinblick auf Sexualstraftäter nur eine Lösung: "wegschließen - und zwar für immer". Die tatsächliche momentane Rechtslage sieht jedoch wie folgt aus. In Paragraf 183 des Strafgesetzbuches heißt es: "Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." Jedoch wird die Tat nur rechtlich verfolgt, wenn das Opfer oder bei Minderjährigen die Erziehungsberechtigten Anzeige erstatten. Sind von der Tat Kinder betroffen, wird ein härteres Strafmaß angewandt, nämlich bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug (Paragraph 176). Kritiker fordern, dass die Straftat Exhibitionismus zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden sollte. Öffentliche Nacktheit sei schließlich immer weniger ein Tabu. Dieses Argument lehnen Befürworter der Einstufung als Straftat ab, denn es lasse die ungewollte Konfrontation der Opfer mit sexuellen Handlungen außen vor. (fj)CHRONIK 4. Februar 2009: Die Polizei nimmt einen 50-jährigen Mann fest, der im Dezember in einem Linienbus in Schweich vor Fahrgästen masturbiert haben soll. Ende Januar soll er in Trier-Nord vor einem elfjährigen Mädchen seine Hose heruntergelassen haben. 11. Juni: Im Trierer Weißhauswald nimmt ein älterer Mann in der Nähe eines Kinderspielplatzes sexuelle Handlungen an sich vor. Als eine Mutter den Mann von Weitem anschreit, verschwindet er spurlos. 21. Juli: Die Polizei Schweich stellt einen 63-jährigen Mann, der sich auf einer Bank am Moselufer in Trier-Ehrang vor einer Spaziergängerin entblößt haben soll. (cus)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort