Behinderte Frauen und sexuelle Gewalt

Trier · Behinderte Frauen werden laut einer Studie der Bundesregierung bis zu drei Mal so häufig Opfer sexueller Gewalt als andere Frauen. Eine Tagung in Trier will auf das Problem aufmerksam machen und nach Lösungen suchen.

Trier. Sie können nicht sehen, wegen körperlicher Beeinträchtigungen keinen Widerstand leisten, haben psychische Probleme oder geistige Handicaps, die es ihnen erschweren, sich zu wehren: Behinderte Frauen sind für Täter leichte Opfer.
Eine vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebene Studie, deren Ergebnisse 2012 veröffentlicht wurden, zeigt, dass Frauen mit Behinderungen weit häufiger von Gewalt betroffen sind als der Durchschnitt der weiblichen Bevölkerung. "Sie erfahren in ihrer Kindheit und Jugend zwei bis drei Mal häufiger sexualisierte Gewalt als nichtbehinderte Frauen", sagt Ingrid Gödde vom Trie rer Frauennotruf.
Insbesondere gehörlose Frauen seien von Gewalt in der Familie und in Institutionen betroffen, gefolgt von blinden Frauen und Frauen mit psychischer Erkrankung. "In Einrichtungen der Behindertenhilfe erleben Frauen insbesondere strukturelle Gewalt, zum Beispiel, weil ihre Intimsphäre beim Baden oder beim Gang zur Toilette nicht gewahrt wird", sagt Gödde.
Um für das Problem zu sensibilisieren und Handlungsmöglichkeiten zu finden - zum Beispiel durch Ansprechpartner in den Einrichtungen - lädt der Trierer Frauennotruf für Mittwoch, 25. September, zu einer Tagung ein. "Diese richtet sich an alle, die mit behinderten Menschen arbeiten", sagt Gödde. Drei Vorträge stehen auf dem Programm: Heike Beck, Pädagogin und Dozentin an der Fachhochschule Frankfurt/Main, spricht darüber, dass Frauen mit Behinderung oftmals ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aberkannt wird und Tätern so erleichtert wird, Grenzen zu überschreiten. Weil behinderte Frauen oft der Bezug zur eigenen Sexualität fehlt, fällt es ihnen zudem häufig schwer, Übergriffe einzuordnen, sich dagegen zu wehren und sich Unterstützung zu holen. Wie Einrichtungen Übergriffen vorbeugen und angemessen auf diese reagieren können, erläutert die Referentin.
Gerlinde Busch, von einer Mainzer Beratungsstelle für Frauen mit Behinderungen, spricht über die sexuellen Bedürfnisse und Wünsche behinderter Frauen und welche Unterstützung und Schutz sie brauchen, um diese Sexualität leben zu können.
Ralf Specht, Pädagoge aus Hamburg, erläutert, wie Betreuer und Familien mit dem Thema Sexualität bei behinderten Menschen umgehen können und wie eine sexualpädagogische Aufklärung behinderte Kinder, Jugendliche und Frauen vor Übergriffen schützen kann.
Veranstalter der Tagung sind neben dem Frauennotruf, der Verein Lebenshilfe Trier, der Club Aktiv, Pro Familia und andere lokale Akteure, die bei der Tagung auch ihr Angebot und ihre Arbeit vorstellen.
"Unser Ziel ist - neben der fachlichen Information und Aufklärung - die Gründung eines Fachforums, über das die lokalen und regionalen Einrichtungen und Beratungsstellen das Thema vorantreiben und Lösungen finden können", sagt Ingrid Gödde. Das Interesse am Thema ist groß: Über 50 Teilnehmer haben sich bereits angemeldet. woc
Tagung "Überlebenswelten: Sexualisierte Gewalt im Leben von Frauen mit Behinderungen - Bestandsaufnahme, Prävention und Intervention, Mittwoch, 25. September, 9.30 bis 16 Uhr, Tuchfabrik Trier, Teilnahmegebühr: 50 Euro (Ermäßigungen möglich).
Infos: www.frauennotruf-trier.de

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