Behörden stoppen Sanierung einer alten Schreinerei in Waldrach - Bauherren beklagen Boykott durch Gemeinde

Waldrach · Es gibt Protestplakate, einen Baustopp, Klageverfahren und jede Menge persönlicher Anschuldigungen. In Waldrach sorgt derzeit ein privates Sanierungsprojekt für viel Wirbel. Die Bauherren fühlen sich von der Gemeinde diskriminiert und haben ihre Version der "Waldracher Geschichte" im Internet veröffentlicht.

Behörden stoppen Sanierung einer alten Schreinerei in Waldrach - Bauherren beklagen Boykott durch Gemeinde
Foto: (h_tl )

Waldrach. Das große weiße Plakat mit dem roten Fragezeichen fällt schon von weitem auf, wenn man durch Waldrach fährt. Was am Giebel eines eingerüsteten Hauses in der Ortsmitte zunächst wie das Werbebanner einer Baufirma aussieht, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als Protestaktion: "Gemeinde boykottiert Bauvorhaben", steht da und weiter: "Warum? fragen Sie Hr. Lichtenthal".Ufergelände gesäubert


Gemeint ist der erste Beigeordnete der Gemeinde Waldrach, Reinhard Lichtenthal. Ihn machen die Bauherren, die Eheleute Alexandra und Markus Neisius, in erster Linie dafür verantwortlich, dass ihr Umbauvorhaben von der Bauaufsicht beim Kreis gestoppt wurde. Die Gemeinde ist bei dem Projekt - es handelt sich um die Sanierung einer ehemaligen Schreinereiwerkstatt unweit der Ruwer - ebenfalls im Boot. Sie besitzt das vorgelagerte Grundstück, das an die Straße grenzt, und nur über das kann die Familie Neisius ihr Grundstück erreichen.
Doch der Reihe nach. Die "Waldracher Geschichte", die das Ehepaar ausführlichst und mit Bildergalerie im Internet erzählt (waldrach.info), beginnt mit dem Erwerb des Anwesens "Nellinger", einem Wohnhaus mit angrenzender Schreinerei, im Frühjahr 2014. Die Eheleute räumten das zugewucherte Gelände, rodeten, pflanzten. Die Schreinerei wollen sie nach der fachgerechten Sanierung selbst bewohnen.Faible für alte Bausubstanz


Die Familie hat ein Faible für alte Bausubstanz. Das Café Karls (früherer Waldracher Bahnhof) hatte sie bereits erworben und restaurieren lassen, am Haus Schenk-Oster, einer Weinstube, ist derzeit ein Bautrupp zugange. Mit dem Erwerb von Schenk-Oster kam auch ein Weinberg im Jesuitengarten in den Neisius-Besitz. Ein Geröllrückhaltebecken, das die Gemeinde nach einem Unwetter 2013 baute und das sich teilweise auf diesem Weinberg befindet, sei illegal errichtet worden. Das behauptet das Ehepaar Neisius und klagt nun auf dessen Beseitigung. Dass sie damit einen Trumpf gegen die "Erpressungs- und Nötigungsversuche" seitens der Gemeinde besitzen, daraus machen die Eheleute keinen Hehl. "Die bauen hier ohne Genehmigung und bei uns heben sie den Finger." In einem Schreiben an die Waldracher Gemeinderatsmitglieder hat das Ehepaar ausführlich die "Konfrontationslinie" von sieben Immobilien beschrieben. Der parteilose Markus Neisius sitzt selbst für die SPD im Waldracher Rat.
So richtig eskaliert ist der Streit beim Objekt Schreinerei. Zunächst lief noch alles glatt. Das Ehepaar Neisius erhielt die Genehmigung für den Umbau und das Wegerecht, es akzeptierte - wenn auch zähneknirschend - die Jahrespacht von 1200 Euro für das angrenzende Gemeindegrundstück. Dann folgten die Nackenschläge: Die Bauaufsicht verhängte im November 2014 einen Baustopp. Begründung: Es handele sich nicht mehr um einen Umbau mit Bestandsschutz, sondern um einen Neubau. Die Bauherren seien verbotenerweise von den genehmigten Planunterlagen abgewichen. Und für einen Neubau läge keine Genehmigung vor. Dazu Markus Neisius: "Als der Zimmermann das neue Dach montieren wollte, hat er festgestellt, dass die Holzsubstanz entgegen den Erwartungen nicht tragfähig war. Auch die Zwischendecke war nicht mehr gesund." Nach Abwägung diverser Argumente habe man sich für eine neue Dachkonstruktion entschieden. Just am Montage-Tag sei dann der Baustopp erfolgt - ausgelöst durch den Beigeordneten Lichtenthal.
"Es liegt nicht an uns", sagt Reinhard Lichtenthal, "was da steht, ist nicht genehmigungsfähig." Die Gemeinde halte alle Verträge ein. Er und seine Familie litten unter den öffentlichen Anschuldigungen. "Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber so geht\'s nicht."
Nach Auskunft von Bürgermeister Bernhard Busch (VG Ruwer) hat die Verwaltung einen Anwalt beauftragt, die im Internet aufgestellten Behauptungen zu prüfen. Buschs schriftlicher Aufforderung, besonders "ehrabschneidende und verleumderische Kommentare" aus der Rubrik "Best of" aus dem Netz zu nehmen, ist Markus Neisius gefolgt. Die Kontrahenten werden sich am 10. Juni vor dem Verwaltungsgericht in Trier treffen. Verhandelt wird, ob unter den neuen Voraussetzungen (Neubau oder Ausbau im Bestand?) eine Baugenehmigung erteilt werden kann. Doch nicht nur der Landkreis hat Beanstandungen, auch die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD). Eine wasserrechtliche Genehmigung für das Bauvorhaben wurde untersagt. Begründung: Es befinde sich im Überschwemmungsgebiet der Ruwer.Meinung

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Den Bogen überspannt
Ungeachtet dessen, wer letztendlich dafür verantwortlich ist, dass in Waldrach eine gut gemeinte Sache dermaßen aus dem Ruder laufen konnte, ist es nicht in Ordnung, wie der Streit ausgetragen wird. Indem man einen Menschen, der offenkundig nach Recht und Gesetz handelt, öffentlich an den Pranger stellt und suggeriert, er habe ja noch viel mehr auf dem Kerbholz, überspannt man den Bogen weit. Und wenn man dazu noch "Best of-Kommentare" über ihn ins Netz stellt, gibt man die betreffende Person bewusst der Lächerlichkeit preis. Durch ein solches Verhalten haben sich die Bauherren womöglich alle Türen zugestellt, durch die man noch gehen könnte. Schließlich geht es vor Gericht ja auch um deren Glaubwürdigkeit. Als größtes Problem für die Familie Neisius könnte sich das Wasserrecht erweisen. Bleibt die SGD mit dem Überschwemmungsgebiet hart, dann droht der Abriss. a.follmann@volksfreund.de

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