Bei leerem Stadtsäckel – Mord

TRIER. Beim ersten Theatercafé der neuen Spielzeit stellte das Theater Trier seine Inszenierung von Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" vor. Die Premiere des Stückes ist am Sonntag, 2. Oktober.

 Alte Liebe: Claire Zachanassian (Verena Rhyn) trifft auf ihre Jugendliebe Alfred Ill (Peter Singer). Foto: Bettina Albrecht

Alte Liebe: Claire Zachanassian (Verena Rhyn) trifft auf ihre Jugendliebe Alfred Ill (Peter Singer). Foto: Bettina Albrecht

Regisseur Horst Ruprecht bringt die Handlung des berühmten Stücks auf eine Formel: "Claire bringt den Sarg, der wird gefüllt, Claire reist wieder ab." Ganz so einfach ist die Geschichte nun aber doch wieder nicht: Die reiche Claire Zachanassian kehrt in ihre Heimatstadt Güllen zurück. Die Einwohner freuen sich, versprechen sie sich von dem Besuch der "alten Dame" Finanzhilfe für das verarmte Städtchen. Aber Claire hat anderes im Sinn: Sie wurde als junge Frau von dem Krämer Alfred Ill verlassen, als sie ein Kind von ihm erwartete. Nun bietet sie den Güllenern eine Milliarde für Ills Tod. "Das Groteske ist meine Welt"

Für Regisseur Horst Ruprecht ist die Inszenierung des "Besuchs der alten Dame" ein Heimspiel: "Das Groteske ist meine Welt!" Beim "Theatercafé" präsentierte das Ensemble einen Ausschnitt aus der Szene, in der Claire (Verena Rhyn) auf ihre Jugendliebe Ill (Peter Singer) trifft. Die Wiedersehensfreude ist nur gespielt - von beiden Seiten. Ill hofft, Claire um den Finger wickeln zu können und sie zu einer Spende für die verarmte Heimatstadt zu bewegen. Doch die "alte Dame" denkt gar nicht daran. Sie schwelgt in Erinnerungen an das gemeinsame Glück - doch nur um Ill umso härter mit dem Unglück zu konfrontieren, in das er sie damals stürzte. In der zweiten Spielszene, die im "Theatercafé" gezeigt wurde, tritt Claires Hass offen zutage: "Ich bin die Hölle geworden!" Die scheinbar zwischen sentimentalen Gefühlen und tiefster Verbitterung hin- und hergerissene "alte Dame" ist eine Paraderolle für Verena Rhyn. Neben Appetit machenden Spielszenen gab es beim Theatercafé Hintergrundinformationen zum Stück, zum Autor und zu der Trierer Inszenierung. Klaus-Michael Nix und Peter Singer lasen Dürrenmatt-Texte über die Entstehung der Tragikomödie vor: Ursprünglich sollte die "alte Dame" ein "reicher Bauer" sein. Aus dem Bergdorf, in das der "reiche Bauer" reiste, wurde das Städtchen Güllen. Bei einer Zugfahrt kam Dürrenmatt die Idee für die Ankunft Claires mit der Bahn - die "Erwartungsszene" am Bahnhof. Es musste erklärt werden, warum eine so reiche Frau wie Claire mit dem Zug anreist. Dürrenmatts Lösung: Sie musste einen Autounfall erlebt haben. Daher trägt die Figur der Claire Zachanassian eine Prothese. Vorsichtige Modernisierung

Das Stück entstand in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs. Doch auch wenn die wirtschaftliche Lage sich geändert hat: Die Grundaussage, dass die Welt käuflich ist, treffe heute genauso zu wie vor 50 Jahren, meint Regisseur Ruprecht. Er will das Stück vorsichtig modernisieren, es dem Zeitgeist anpassen: "Ich habe eine Inszenierung gesehen, in der Claire in einer Rakete anrauscht. Von so etwas halte ich nichts." Auch der Bühnenbildentwurf ist viel versprechend. "Es wird kein dekoratives Bühnenbild, sondern einen Assoziations- und Spielraum geben", erklärt Ruprecht. Der Güllener Bahnhof, den die Kulissen skizzieren, verwandele sich im Laufe des Stückes immer mehr zu einem Friedhof. Bühnenraum und Zuschauerraum bildeten eine Einheit: "Die Zuschauer spielen mit! Sie können mit abstimmen, ob Ill getötet werden soll." Für Friedrich Dürrenmatt war Hilde Hildebrand die beste "alte Dame", die er jemals sah. Karten zum Stück gibt es unter der Telefonnummer 0651/718 18 18.

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