Gesundheit Papillon Trier hilft Kindern krebskranker Eltern

Trier · Wenn Eltern an Krebs erkranken, leiden auch die Kinder. Seit zehn Jahren helfen die Psychologinnen der unabhängigen Beratungsstelle Papillon kostenlos Familien dabei, die Zeit der Krankheit gemeinsam zu bewältigen. Oft geht es auch um das Thema Trauer. Das Angebot soll nun erweitert werden.

 Die Psychologinnen Petra Dewald (links) und Anne Klormann besprechen in der neuen Beratungsstelle von Papillon die Aufgaben für den Tag.

Die Psychologinnen Petra Dewald (links) und Anne Klormann besprechen in der neuen Beratungsstelle von Papillon die Aufgaben für den Tag.

Foto: Neubert Rainer

Die Mutter von Christian ist tot. Sie ist wenige Tage vor dem Weihnachtsfest 2016 gestorben, sechs Monate nachdem sie die erschütternde Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs erhalten hatte. „Ein halbes Jahr davor war auch meine Oma an Krebs gestorben“, sagt der 15-Jährige, der trotz der vielen gemeinsamen Stunden mit seiner todkranken Mutter in tiefe Trauer versank.

Christian ist einer von vier Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, die derzeit regelmäßig die Trauergruppe der Beratungsstelle Papillon in Trier besuchen. „Ich hätte nie gedacht, dass es mir helfen würde, darüber zu reden, deshalb mussten mich meine Verwandten mehr oder weniger hier hinschleifen“, erinnert sich der Schüler. „Aber schon nach drei Einzelgesprächen ist es mir besser gegangen. Und in die Trauergruppe gehe ich inzwischen gerne. Es ist interessant zu hören, wie es anderen ergeht, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich.“

 In der neuen Beratungsstelle Papillion ist genügend Platz, um mit den Kindern krebskranker Eltern zu malen, zu spielen und zu basteln.

In der neuen Beratungsstelle Papillion ist genügend Platz, um mit den Kindern krebskranker Eltern zu malen, zu spielen und zu basteln.

Foto: Beratungsstelle Papillon

Papillon (französisch: Schmetterling) ist eine besondere Beratungsstelle für die Kinder krebskranker Eltern. Das in der Region und darüber hinaus einzigartige Projekt ist vor zehn Jahren vom Verein „Von Betroffenen für Betroffene e.V.“ mit Sitz in Burgen (Kreis Bernkastel-Wittlich) ins Leben gerufen worden. Inzwischen haben fast 500 Familien dort kostenlose Hilfe bekommen. „In jeder Woche kommt eine neue Familie hinzu“, sagt Anne Klormann, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen Xenia Englberger und Petra Dewald die Einrichtung nahe dem Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen leitet.

Nach dem Umzug in größere Räume und der Aufstockung auf 1,75 Vollzeitstellen wollen die drei Psychologinnen nun das Angebot erweitern. Petra Dewald zeigt beim Besuch des TV-Redakteurs begeistert das neu eingerichtete Spiel-, Besprechungs- und Bastelzimmer, dann muss sie los zu einem Hausbesuch. „Meistens kommen die Eltern und Familien zum Gespräch hierher“, sagt sie. „Aber wenn die Krankheit das nicht möglich macht, fahren wir auch hin.“ Zu Einzelgesprächen und den offenen Gruppenangeboten kommen die Kinder und Jugendlichen aber in der Regel in die Beratungsstelle.

Laut Anne Klormann steht am Anfang aber immer ein gemeinsames Gespräch mit Eltern und Kindern, „Schließlich müssen wir erst einmal wissen, wie wir helfen können.“ Ein neu angeschaffter Kleinbus soll ab dem Frühjahr helfen, noch mehr im ländlichen Raum aktiv zu werden. „Wir wollen in Absprache mit den Klinikleitungen regelmäßig zu allen Krankenhäusern in der Region fahren, dann fällt für die betroffenen Familien der manchmal lange Weg nach Trier weg.“

Nicht wirklich nah liegt die Papillon-Beratungsstelle in der Krahnenstraße auch für Marc, der mit seinem Vater im Kreis Bernkastel-Wittlich lebt. „Meine Mutter ist im Januar 2016 gestorben, seitdem komme ich alle 14 Tage hierher“, sagt der 17-Jährige. Auch sein Vater ist von dem kostenlosen Beratungsangebot in Trier überzeugt: „Mein Hausarzt hat mich darauf hingewiesen. Eine gute Sache, auch wenn man finanziell nicht so gut gestellt ist.“ Auch Marc hilft vor allem die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen über seinen Verlust, seine Trauer und seine Gedanken sprechen zu können.

Psychologin Anne Klormann berichtet von Unwissen und falschen Schuldgefühlen, die ihre jungen Klienten häufig belasten. „Uns geht es darum, die Minderjährigen präventiv, also auch während der Erkrankung eines Elternteils zu begleiten, um psychische Störungen zu vermeiden.“ Wichtig sei aber auch, Erinnerungen zu schaffen, sagt sie und schlägt damit die Brücke zu Annas Verein, dem Trägerverein „Von Betroffenen für Betroffene“, den Hermann Becker im Jahr 2005 auf Wunsch und in Erinnerung an seine an Krebs gestorbene Tochter Anna gegründet hat. Unterstützt durch die Antonia Ruut Stiftung und in Kooperation mit dem Mutterhaus finanziert der Verein die Beratungsstelle, die im Zeichen des Lieblingstiers von Anna steht, dem Schmetterling. „Ich bin immer wieder überrascht, in welchem Ausmaß unsere Anna in der Region bekannt war und durch ihren Verein immer noch ist“, freut sich Becker. „Wir haben ein super Team bei Papillon, das sehr gut mit den Kindern arbeitet und dadurch ein sehr hohes Ansehen bei den betroffenen Familien hat. Meine Frau und ich stecken natürlich die meiste Zeit in den Verein, aber das ist unsere Art, uns mit dem Tode von Anna auseinanderzusetzen und vielen Hundert jungen Menschen und Kindern in der Region in irgendeiner Art zu helfen. Das gibt dem Tod von Anna einen gewissen Sinn.“ Etwa 250 Minderjährige in der Region sind laut Expertenschätzungen in jedem Jahr von der Krebserkrankung ihres Vaters oder ihrer Mutter betroffen. Etwa 100 suchen Hilfe bei Papillon.

Christian, zunächst nicht ganz freiwillig, ist einer von ihnen. Inzwischen weiß er das Angebot zu schätzen. „Ich gehe so lange hin, bis ich es nicht mehr brauche“, sagt der Schüler. Wenn er von der Trauergruppe erzählt, dass einer der Jungs, ganz anders als er selbst, sich noch nie überwinden konnte, das Grab seiner Mutter zu besuchen: dann weiß er, wie er auch anderen helfen kann.

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