Bewegendes Schicksal auf 112 Seiten

Lorscheid/Trier · Im Krieg hat ihn ein Granatsplitter getroffen. Mit 45 Jahren erfuhr Heinrich Kronz, dass ihn eine chronische Muskelschwäche in den Rollstuhl zwingen wird. Seine Lebensgeschichte hat der Lorscheider, in einem Buch zusammengefasst, das viele Einblicke in Traditionen seines Heimatorts gibt.

 Hat mit 77 Jahren ein Buch über sein Leben geschrieben: Heinrich Kronz. Weil seine Muskeln immer schwächer werden, kann er nur noch in seinem Haus auf den Rollstuhl verzichten. TV-Foto: Christa Weber

Hat mit 77 Jahren ein Buch über sein Leben geschrieben: Heinrich Kronz. Weil seine Muskeln immer schwächer werden, kann er nur noch in seinem Haus auf den Rollstuhl verzichten. TV-Foto: Christa Weber

Lorscheid/Trier. "Jammern war nie mein Ding", sagt Heinrich Kronz. Dabei hat der 77-jährige Lorscheider schon viel durchgemacht. Seit mehr als 30 Jahren leidet er an Muskeldystrophie, einer Erbkrankheit, bei der die Muskeln wegen eines Gendefekts unaufhaltsam verkümmern. Außerhalb des Hauses kann er sich nur im Rollstuhl fortbewegen. Nachts braucht er ein Beatmungsgerät.
Seine Erfahrungen hat sich der 77-Jährige jetzt "von der Seele geschrieben". Sein Buch hat er selbst verlegt. Unter dem Titel "Vom Kinderfahrrad zum Rollstuhl" schildert Kronz auf 112 Seiten sein Leben in Lorscheid: "Es ist eine Mischung aus Biografie und Dorfchronik." Seine drei Kinder haben ihn dazu motiviert. "Wenn ich erzähle, sagen sie immer: Papa, schreib` das auf, sonst geht es verloren. Aber ich wusste lange nicht wie." Am Laptop der Schwiegertochter habe er es schließlich versucht. Kronz wuchs auf dem Bauernhof der Eltern auf. "Damals gab es im Ort noch fast 80 solcher Betriebe", erinnert sich der Lorscheider. In seinem Buch beschreibe er viele Rituale und Arbeiten aus dieser Zeit: Brot backen, Weben, Besen binden oder die Produktion eines Wagenrads. "Heute weiß das ja keiner mehr." Auch den Ablauf von Ernteritualen, Festen und Feiertagen erfährt der Leser. Das wichtigste Erlebnis der Kindheit: 1944 während des Zweiten Weltkriegs trifft den Achtjährigen ein Granatsplitter im Rücken. Per Pferdegespann wird er kilometerweit zum Truppenverbandsplatz gebracht. Entfernt wird der Splitter aber nicht - er steckt heute noch in seiner Wirbelsäule. "Ein Entfernen wäre wohl zu riskant."
Nach dem frühen Tod des Vaters gibt Kronz den Hof auf. Er will eine eigene Familie ernähren können, arbeitet deshalb als Fernfahrer. Ab 1966 fährt er für die Stadtwerke Trier Linienbusse, arbeitet später in der Zentrale, bis ihn die Krankheit in den Ruhestand zwingt. Die Diagnose bekommt Kronz erst mit 45 Jahren - nach drei Herzinfarkten. Er findet heraus, dass auch ein Bruder seines Großvaters an dem vererbbaren Muskelschwund litt. "Meine Kinder sind aber zum Glück nicht betroffen."
Der Arzt sagt ihm damals, er werde nur noch fünf Jahre laufen können. "Das kam aber erst viel später, weil ich mich bewegt und gesund ernährt habe." Seine Frau Waltraud bestätigt: "Er hat den Kopf nie hängen lassen." Die "traumatischen Erlebnisse" dieser Zeit habe er zum Teil erst durch das Aufschreiben verarbeitet, sagt der Lorscheider. Im Buch schildere er aber auch Lustiges, etwa eine Wette mit dem Schmied, nach der er einen 1000-Kilo-Bullen in die Dorfgaststätte brachte. "Ich habe beim Lesen gelacht und geweint", sagt Waltraud Kronz.
Seine Hobbys Bienenzucht und Holzschnitzerei - fast alle Möbel im Haus stammen aus der eigenen Schreinerei - musste Kronz wegen der Krankheit aufgeben. Verbittert ist er deshalb nicht: Mit seinem Buch möchte er "anderen Mut machen und meine Erinnerungen für die Nachwelt erhalten". Er denke über eine "zweite erweiterte Auflage" nach: "Ich habe noch viel mehr zu erzählen." cweb
Wer sich für die Lebensgeschichte von Heinrich Kronz interessiert, kann das Buch für einen "kleinen Unkostenbeitrag" bei ihm in der Hauptstraße 13 in Lorscheid erwerben.

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