Stadtbild & Stadtgeschichte Bilder aus einer versunkenen Welt

Trier · "Trier im Bild 1800 - 2000" heißt die nächste Sonderausstellung des Rheinischen Landesmuseums Trier. Zu sehen sind vom 10. September bis 8. Januar fast 150 historische Fotos, die in der Gegenüberstellung mit aktuellen Aufnahmen wie Bilder aus einer anderen Welt anmuten.

 Kurator Peter Seewaldt (links) begutachtet mit Museumsvizechefin Mechthild Neyses-Eiden und Frank Unruh die im Aufbau begriffene Ausstellung. TV-Foto: Roland Morgen

Kurator Peter Seewaldt (links) begutachtet mit Museumsvizechefin Mechthild Neyses-Eiden und Frank Unruh die im Aufbau begriffene Ausstellung. TV-Foto: Roland Morgen

 Das Original: Die Steipe (hier in Rückansicht) darf in der Ausstellung nicht fehlen. 1944 fiel das 500 Jahre alte Empfangshaus der Trierer Bürgerschaft einem Bombenvolltreffer zum Opfer. Die heutige Steipe, erbaut 1969/70, ist eine Rekonstruktion. Foto: Stadtbibliothek Trier, Pechmann/Schmalzigang

Das Original: Die Steipe (hier in Rückansicht) darf in der Ausstellung nicht fehlen. 1944 fiel das 500 Jahre alte Empfangshaus der Trierer Bürgerschaft einem Bombenvolltreffer zum Opfer. Die heutige Steipe, erbaut 1969/70, ist eine Rekonstruktion. Foto: Stadtbibliothek Trier, Pechmann/Schmalzigang

Trier. Der Anblick wirkt vertraut und doch fremd. Im Hintergrund Dom und Liebfrauen, davor die Steipe mit ihrem steil aufragenden Dach in der Rückansicht. So weit, so bekannt. Und dennoch hat vermutlich kein heute lebender Trierer diese Kulisse aus diesem speziellen Blickwinkel jemals mit eigenen Augen gesehen. Sie ist untergegangen im Bombenhagel im Dezember 1944 und die 1969/1970 wieder aufgebaute heutige Steipe eine Rekonstruktion, die mit dem Vorkriegsoriginal nur wenig gemein hat.
Derartige Aha-Effekte wird die nächste Sonderausstellung im Landesmuseum am laufenden Band bescheren. Sie basiert auf demselben Prinzip, das schon der lokalen Bildband-Reihe "Weißt Du noch?" (Verlag Michael Weyand") zu beachtlichem Erfolg verholfen hat. Historische Aufnahmen stehen in einem bisweilen krassen Kontrast zu aktuellen Vergleichsbildern. "Wir zeigen die Entwicklung Triers in den letzten 200 Jahren", sagt Kurator Peter Seewaldt (59). "Die Ausstellung soll verdeutlichen, wie sich die Stadt verändert hat, was an Altem verschwand und was an Neuem dazu kam."
Auf 350 Quadratmetern Fläche präsentiert das Landesmuseum mehr als "nur" eine Bilderschau. Die fast 150 alten Aufnahmen (überwiegend aus den Nachlässen der Fotografen Deuser und Laven) plus aktuelle Gegenstücke werden ergänzt durch Grafiken, Beamerprojektionen und archäologische Fundstücke sowie Trier-Filme aus dem frühen 20. Jahrhundert. Passenderweise gibt es die Hörführung per Audioguide auf Trierisch, gesprochen von Mundart-Künstler Helmut Leiendecker "und auch für Nicht-Trierer durchaus verständlich", versichert Seewaldt. Die Ausstellung dokumentiert den Werdegang Triers vom beschaulichen preußischen Provinznest des 19. Jahrhunderts, dessen spät einsetzender Aufwärtsentwicklung der Erste Weltkrieg jäh beendet, über die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs bis zur Viehmarkt-Umgestaltung. Besonders eindrucksvoll: der Abriss des Neutores, das nach der Abschaffung der Mahl- und Schlachtsteuer (1875) als Stadttor ebenso überflüssig geworden ist wie die gesamte Mittelalter-Stadtmauer. Quasi das Ende, das ein Anfang sein soll: Das infrastrukturell nachholbedürftige Trier sprengt seine Fesseln, wird Boomtown. Letzte große Innovation vor dem Ersten Weltkrieg ist die Kaiser-Wilhelm-Brücke (eröffnet 1913). Die Veränderungen, die das Stadtbild in den 1940er Jahren erfährt, sind vorwiegend ungeplant, aber von den Nationalsozialisten in Kauf genommen: Bei schweren Bombenangriffen 1944 versinkt die evakuierte Stadt großteils in Trümmern, da helfen auch die vorsorglich angelegten Brandgassen und Löschteiche wenig.
Böse Zungen behaupten, die Nachkriegsstadtplanung habe das Zerstörungswerk fortgesetzt. Ausstellungsmacher Seewaldt hält sich in dieser Frage bedeckt: "Wir geben keine moralische Wertung ab, sondern lassen die Bilder für sich sprechen." Daraus könnte freilich die "Erkenntnis resultieren, dass die Weiterentwicklung des Stadtbildes angemessener Behutsamkeit bedarf". Also nicht so wie auf den vier utopischen Stadtansichten, die Martin Dittrich 1958 zu Papier brachte. Eine davon zeigt die Weststadt unterhalb der Mariensäule als eine Art Klein-Manhattan jenseits einer vierspurigen Ufer-Autobahn.
Nicht nur Trier-Fans werden ihre helle Freude an der liebevoll konzipierten Ausstellung haben. Es genügt schon, ein Faible für Fotografie zu haben. Dann gesellen sich zum Aha-Effekt das Staunen und die Ehrfurcht über die verblüffenden Resultate, die mit vorsintflutlich anmutender Aufnahmetechnik erzielt werden konnten. Seine Sonderausstellung "Trier im Bild 1800-2000" zeigt das Landesmuseum (Weimarer Allee) vom 10. September bis 8. Januar. Der Eintritt ist in den Museumstickets (Erwachsene: 6 Euro) enthalten; Audioguide kostenlos. Am Tag des offenen Denkmals (11. September) ist der Museumsbesuch gratis; um 11 Uhr führt Kurator Peter Seewaldt durch die Ausstellung. Das Landesmuseum bietet ein umfangreiches Begleitprogramm und regelmäßige Führungen sowie für Kinder Aktionen in den Herbstferien (Infos: www.landesmuseum-trier.de) Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, der im Museumsshop und im Buchhandel erhältlich ist (9,80 Euro). rm.

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