Kultur Wenn sich Irish Folk über die Ohrmuschel ins Herz schleicht - Billow Wood begeistern in der Trierer Tufa

Trier · Hereingespült aus der rauen Wildnis der rohen und sturmgepeitschten irischen Westküste, kommt der frische Sound vom Atlantik. Billow Wood erschaffen moderne Magie mit ihrem eigentümlichen Mix aus Folk, traditioneller irischer Musik und Indie-Pop-Rock.

 In Trier nur zu dritt - dennoch haben sich die irischen Musiker in die Herzen der Zuhörer gespielt.

In Trier nur zu dritt - dennoch haben sich die irischen Musiker in die Herzen der Zuhörer gespielt.

Foto: Fabian Pütz-Antony

Wer sind Billow Wood?

Die vier irischen Ureinwohner Mark, Ciara (in Trier leider nicht dabei) und Brid O’Donnell und Harry Lawlor sind gelernte Multi-Instrumentalisten und Sänger mit Fokus auf Harmonik und kommen alle aus der nordwestlichen Grafschaft Mayo. Gepaart mit der Beherrschung ihrer Instrumente, nennen sie einen herausragenden, tief in der Tradition verwurzelten charakteristischen Stil ihr Eigen, der mit modernen Pop und Folk Elementen gespickt wurde. Selten hat man eine so schöne und geschmeidige Mehrstimmigkeit gehört. Ihr Klang ist in eigenen Worten „ein Nebeneinander von Leidenschaft und natürlicher Kraft“ und ein Versuch, Vergangenes und fast Vergessenes zu bewahren und dabei gleichzeitig in eigener Weise weiterzuentwickeln. Trotz neuerer Einflüsse verschiedener Genres zollen zahlreiche Singles den keltischen Vorfahren dieser Region weiterhin ihren Tribut.

Nach ihrer ersten großen Tour durch Europa (2017), Afrika (2018) und zuletzt durch die USA (2019), erlebte die Gruppe einen fast unbremsbaren Wirbel von Zuspruch und Erfolg. Die Corona-Krise machte jedoch dem Release ihres letzten Albums Anfang 2020 erstmals einen Strich durch die Rechnung. Ihre Erfolge in dieser kurzen Zeit können sich dennoch sehen lassen: Sie gewannen unter anderem den Ballyshannon Folk Festival-Prize in ihrem Heimatland. Ihren Durchbruch in Deutschland und Österreich feierte die Band im März 2019, als sie im Rahmen der Irish Heartbeat Tour schon einmal erfolgreich im Land unterwegs waren. Das Debütalbum „The life we wanted“ wurde von Sendern wie SWR 1 mehrfach gesendet, und auch das Deutschlandradio hat für die Neo-Folker den roten Teppich ausgerollt. Die Veröffentlichung ihrer neuen EP „Can you see me“ endete in einer Ausverkaufsveranstaltung in einem von Irlands größten Musik-Hotspots in der Hauptstadt. Ihr Song „Dreamland“ erreichte zwischenzeitlich Platz zwei in den iTunes World Song Charts. Eine Liste, die ohne die Auswirkungen der Pandemie mittlerweile sicherlich noch um einiges länger wäre.        

Billow Wood in der Trierer Tufa

Und nun endlich ein Konzert in der Trierer Tuchfabrik.  Die Stimmung ist zu Beginn sichtlich heiter, die Erwartungen der knapp 50 Zuschauer spürbar hoch im kleinen Saal, als das Irish-Folk-Trio nach einer kurzen Verspätung die Bühne entert. Es war noch auffällig ruhig, kurz bevor Sie (nach einer kleinen sympathischen Dankesrede mit den Worten von Mark O’Donnell: „We’re so happy to play again in Germany after a two years live-event-break. We’re so grateful for everybody who came here, because we know we are still in the middle of a pandemic.“) ihr Spiel begannen. Ihr unvergleichlicher traditioneller Sound sollte die Herzen der Zuschauer schnell im Sturm erobern. Ciara O’Donnell war wegen angeordneter Heimatquarantäne diesmal nicht dabei. Darüber hinaus stand der Abend im Zeichen der 2G+-Einschränkungen. Doch der Zauber irischer Folk-Musik entfaltete sich dennoch lang anhaltend. Über sanft stimulierte Ohrmuscheln gelangte er direkt in die Herzen der begeisterten Teilnehmer. Von dort aus gab es mindestens bis zum Ende der Show kein Zurück mehr.

Mit welchem Sound Billow Wood die Zuhörer begeistern

Im Dreiklang sich ergänzender Gesangsstimmen und individueller Intonationen in ständiger Begleitung von Akkordeon, Harfe, Flöte, Gitarre und Fidel, erschufen die drei ein musikalisch-unvergleichliches Gefühlserlebnis. Die Atmosphäre des gesamten Abends auf ein einziges vorherrschendes Gefühl zu reduzieren, würde bei weitem zu kurz greifen um ihre bemerkenswerte Vielseitigkeit in Worte zu fassen. Neben zum-Mitmachen-animierenden Stimmungsmachern mit mittelalterlichem, trinklustigem Tavernen-Sound und Stücken mit Filmmusik-ähnelnden Country-Elementen, zählten vor allem auch emotionale gesangsakzentuierte Balladen und klassische Volkslieder aus Legendenstoff der Heimatregion zu ihrem breit gefächerten Repertoire. Ein Mix den man einfach erleben muss, bevor man weiß, dass man ihn so schnell nicht mehr missen möchte. Das ganze musikalische Spektrum zirkuliert gleichmäßig hin und her in einem stets packenden Wechsel aus hohen und tiefen Tonleitern, schnelleren und langsameren Passagen und emotional gefühlvollen und ausschweifend heiteren Inhalten. Besonders charakteristisch für die irische Musik sind hierbei die gleichmäßig im Takt des Herzschlages klopfenden Bassdrum-Kicks, die animierenden Jigs & Reels, und die repetitiven „Woo-Rufe“ in den Übergängen. In den gut zwei Stunden wurde in den Reihen der Zuschauer gesungen, geklatscht, mit den Füßen gewippt, und manche schlossen in Phasen milderer Klänge zwischendurch längere Zeit die Augen. Bei so einer Begeisterung durfte am Ende der Show eine Zugabe nicht fehlen. Diese gab es in unerwarteter Form: eine Irish-Folk-Coverversion von Sängerin Nenas Welthit „99 Luftballons“. Das kam an.         

 Wie sich die alte irische Folk-Tradition wandelt

Die irische Tradition kann man allgemein mit einem über Jahrhunderte gewachsenem Wald vergleichen. Sie hat tiefe Wurzeln und ruht in sich. Dank junger Bands wie Billow Wood tritt sie aber nicht auf der Stelle, sondern wächst in alle Richtungen. So bleibt sie frisch, lebendig und für die Zuhörer interessant. Die junge Band liebt sowohl Tradition, als auch die Innovation: Sie schreibt den überwiegenden Teil ihrer Songs selbst und interpretiert diese auf traditionellen Instrumenten. So haben neue musikalische Ideen trotzdem eine Anbindung an den Sound, den man vom Irish Folk her kennt. Auch die Inhalte der Lieder sind am Irland von heute orientiert und an dem, was junge Iren aktuell umtreibt. Inhaltlich auffällige Themen sind zum Beispiel die „Angst vor Veränderung, die Schwere des Abschiednehmens, Sehnsucht, Freundschaft und Heimatliebe“.

Eine rein traditionelle Irish-Folk-Band wird wohl dank einer in weiten Teilen verkrusteten Medienlandschaft heute nie einen Hit haben, aber Singer/Songwriter vom Kaliber Billow Woods könnten es einmal schaffen.

Aktuell ist das Trio noch auf kleiner Deutschlandtour in der Region. Am 30. Januar beispielsweise im Nürnberger Orpheum. Wer sich also selbst ein Bild machen möchte, besucht am besten die Website der Gruppe:

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