Interview Trierer Bischof Ackermann: „Ich übernehme Verantwortung für die Fehler der Vergangenheit“

Trier · Am Donnerstag hat sich der Münchner Kardinal Reinhard Marx zu dem vor einer Woche vorgestellten Missbrauchsgutachten geäußert. Was sein Trierer Kollege Stephan Ackermann von den Äußerungen seines Vorgängers hält, hat der Missbrauchsbeauftragte im Gespräch mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz verraten.

 Der Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann.

Foto: dpa/Harald Tittel

Inwiefern teilen Sie die Einschätzungen von Kardinal Marx?

ACKERMANN Kardinal Marx hat viele der Punkte benannt, die wir in den Blick nehmen müssen bei der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs, aber auch mit Blick auf unsere Kirche insgesamt. Wenn er sagt, dass er keine Zukunft des Christentums in unserem Land sieht ohne eine erneuerte Kirche, stimme ich ihm zu.

Inwiefern lassen sich daraus Schlussfolgerungen für das Bistum Trier ziehen?

ACKERMANN Manche der Punkte haben wir im Bistum Trier bereits aufgegriffen durch unsere Bistumssynode. Wir wollen eine synodalere Kirche sein, wir wollen missionarisch und diakonisch sein. Wir setzen uns mit dem Thema gemeinsame Verantwortung und geteilte Leitung auseinander. Wir sind dabei, Zug um Zug die Beschlüsse unserer Diözesansynode umzusetzen. Und wenn Kardinal Marx sagt, dass es an der Zeit ist, die Ausrichtung an der Perspektive der Betroffenen auch strukturell zu sichern, kann ich nur zustimmen. Wir haben in unserem Bistum Schritte in diese Richtung bereits unternommen. Deshalb bin ich dankbar, dass der Betroffenenbeirat seine Arbeit aufgenommen hat und die Beteiligung von Betroffenen in der Aufarbeitungskommission und im Beraterstab sichergestellt ist. Ich erlebe das als echte Bereicherung der Arbeit.

Marx sagt, jeder kirchliche Verantwortungsträger solle sich fragen: Wo habe ich mich schuldig gemacht und welche Konsequenzen muss ich ziehen? Inwiefern haben Sie diese Fragen auch schon für sich selbst beantwortet?

ACKERMANN Ich stimme Kardinal Marx zu, dass es eine institutionelle Verantwortung gibt, aber auch eine persönliche Verantwortung. In meinem Amt als Bischof von Trier übernehme ich auch Verantwortung für Fehler der Vergangenheit und von Vorgängern in Amt. Darüber hinaus habe ich mir die Frage nach der persönlichen Verantwortung zu stellen. Ich tue das auch immer wieder. Und ich werde es mit jedem Ergebnis, das die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier aufzeigen wird, tun. Und auch hier stimme ich Kardinal Marx zu, wenn er sagt, dass es gut ist, die Entscheidung über Konsequenzen nicht allein zu treffen, sondern zusammen und in Rücksprache mit wichtigen Gremien des Bistums.

Der frühere Münchner Generalvikar Peter Beer sagt, die Kirche könne sich nicht selbst aufklären. Warum hat er Unrecht?

ACKERMANN Das ist keine Frage von richtig oder falsch: Die katholische Kirche hat die Pflicht, die Verbrechen des Missbrauchs aufzuarbeiten! Und wir Bischöfe haben immer gesagt, dass wir das nicht allein machen können und wollen. Das ist der Grund, warum wir uns nach der MHG-Studie an den Beauftragten der Bundesregierung gewandt haben, und ich bin dankbar für die Hilfe, die wir durch ihn, seine Mitarbeiterinnen und die Betroffenen erfahren haben. Ebenso macht der Synodale Weg, den wir zusammen mit dem Zentralkomitee der Katholiken gehen, deutlich, dass wir Bischöfe die Aufarbeitung und Verhinderung von Amtsmissbrauch in der Kirche alleine nicht schaffen.

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