Kirche Missbrauch im Bistum Trier: Viel mehr Opfer als gedacht, schwere Vorwürfe gegen Ackermann

Trier · Das Bistum Trier hat lange nichts getan, um Menschen vor sexuellem Missbrauch durch Priester zu schützen. Eine unabhängige Kommission erhebt schwere Vorwürfe gegen frühere Kirchenobere. Auch Bischof Ackermann steht in der Kritik.

Bistum Trier: Viel mehr Missbrauchsopfer als gedacht, schwere Vorwürfe gegen Ackermann​
Foto: dpa/dpaweb/A3483 Matthias Schrader

Die aktuelle Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Bistum Trier könnte erneut viele Gläubige dazu veranlassen, der Kirche den Rücken zu kehren. Nicht nur, weil der am Donnerstag präsentierte Zwischenbericht der unabhängigen Aufarbeitungskommission zeigt, dass es im Bistum Trier deutlich mehr Opfer sexueller Gewalt und auch viel mehr Täter gab und gibt, als bisher bekannt war.

Zusätzlich steht Bischof Ackermann – der nur noch bis September katholischer Missbrauchsbeauftragter ist – (erneut) in der Kritik, weil er als Sexualstraftäter verurteilte Priester in die Krankenhausseelsorge versetzte, wo sie einem Bericht der Zeit-Beilage „Christ & Welt“ zufolge weiter Kontakt zu Kindern haben konnten. Zumal die dort Verantwortlichen nichts über die Vergangenheit der Priester wussten. Neu sind die Vorwürfe nicht. 2012 hatte der Spiegel über sieben pädophile Geistliche berichtet, die im Bistum damals noch im Einsatz waren. Inzwischen betont die bischöfliche Pressestelle, dass kein unter Verdacht stehender Priester oder Diakon mehr im aktiven Dienst sei.

Dennoch bringt die aktuelle Berichterstattung den Bischof in Bedrängnis. Zeigt die Recherche der Zeit doch, dass es im Bistum System hatte, Männer, die Kinderpornografie gehortet oder Kinder missbraucht hatten, als Krankenhausseelsorger einzusetzen.

Der Zwischenbericht über Missbrauch im Bistum Trier

Auch der mit Spannung erwartete erste Zwischenbericht wirft kein gutes Licht auf die Vorgänge im Bistum. Schon im „Hellfeld“ – also aktenkundig – zählen die Wissenschaftler Hunderte Opfer sexueller Gewalt. Auf der Basis von Daten, die das Bistum selbst zusammengestellt hat, konnte die Kommission für den Zeitraum zwischen 1946 bis 2021 genau 513 Betroffene identifizieren. Als Beschuldigte des sexuellen Missbrauchs – oder auch als überführte Täter – sind 195 Personen erfasst.

„Es steht zu erwarten, dass sich diese Zahlen im Laufe der Studie erweitern werden“, heißt es in dem Dokument. Wenn das Hellfeld präzise erfasst ist, werde dies auch ermöglichen, abzuschätzen, welches Ausmaß das Dunkelfeld hat.

„Keine Maßnahmen zum Schutz potentiell Betroffener“ im Bistum Trier

Inwieweit Bernhard Stein, der von 1967 bis 1980 Trierer Bischof war, Missbrauchsfälle vertuscht, Täter gedeckt und die Geistlichen ungestraft versetzt hat, wird die Kommission in einer ersten Studie zur Ära Stein erst Mitte Oktober beantworten.

Schon jetzt äußert sie allerdings sehr deutliche Kritik, an dem „Umstand, dass und wie vermeintliche oder überführte Täter innerhalb und außerhalb des Bistums versetzt wurden und dass es am neuen Ort erneut zu Missbrauchstaten an Jugendlichen und Kindern kam“.

Der Zwischenbericht kommt zu dem Schluss: In einer großen Reihe von Fällen seien „keine Maßnahmen zum Schutz potentiell Betroffener vor sexuellem Missbrauch vorgenommen“ worden. Die Kommission ist zuversichtlich, nach weiteren Untersuchungen eindeutig beurteilen zu können, welche Rolle die Kirchenoberen spielten und welche Verantwortung sie tragen.

„Diese Kommission fühlt sich den Betroffenen besonders verbunden und wir legen Wert auf unsere Unabhängigkeit“, sagt der Kommissions-Vorsitzende und ehemalige Justizminister Prof. Gerhard Robbers, der auch betont, dass die Kommision Zugriff auf alle Akten des Bistums habe. Die Zusammenarbeit mit dem Bistum sei kooperativ. Manche Betroffene stünden dem Ortsbischof sehr kritisch gegenüber. Andere bewerteten sein Verhalten sehr positiv.

Neben der Kommission wird nun bis 2025 auch eine neue wissenschaftliche Studie der Universität Trier den Missbrauchsskandal im Bistum Trier aufarbeiten.

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