Blockaden haben Tradition

Zum Artikel "Felsbrocken auf der Nato-Straße" (TV vom 14. September):

Mauer- und Blockadenbau haben in Deutschland eine lange Tradition. Neben der Mauer, die vormals die DDR von der Bundesrepublik trennte, gab es noch den Westwall, den Limes oder als lokales Beispiel die Langmauer in der Südeifel. Der Tradition folgend errichtet der Deutsche also gerne Barrieren, sobald er sich bedroht oder ungerecht behandelt fühlt. Nun hat in Butzweiler der neue Eigentümer der ehemaligen "Bundeseigenen Privatstraße" (im Volksmund auch "op da Nato") beschlossen, die Zufahrt mit einigen bemerkenswerten Exemplaren heimischen Buntsandsteins zu blockieren. Soweit man den Ausführungen Glauben schenken kann, ist das sein gutes Recht. Da wäre auch weiter nichts dabei, hätte diese Straße nicht ein paar Merkmale, die nicht unerwähnt bleiben dürfen. Sie wurde ehemals errichtet als Zufahrt zur Station der amerikanischen Streitkräfte und in friedlicher Koexistenz von den stationierten Soldaten, den Anliegern der Bergstraße und Landwirten genutzt. Sie ist etwa zwei Kilometer lang und in einem hervorragenden Zustand. Diese Straße ist - und das ist in der Butzweiler Topographie einzigartig - fast kurvenlos und in längeren Teilstücken flach und somit ein ideales Terrain zum Fahrrad- und Inlinerfahren. Etliche Kinder haben hier das Radfahren erlernt. Soweit ich das verstanden habe, möchte der neue Eigentümer eine Biogasanlage oder so etwas ähnliches auf dem ehemaligen Militärgelände errichten. Obwohl doch bekannt ist, dass es sich nicht um ein Gewerbegebiet handelt und somit die Grundlage zur Errichtung fehlt. Hat der Investor hier etwas versäumt?

Immerhin hat er nun einem Anlieger angeboten, die Straße gegen ein schlappes Entgelt von 20 000 Euro zu nutzen. Was für ein grandioses Geschäftsmodell. Die Erhebung von Straßengebühren hat in Deutschland nämlich noch keine Tradition. Vielleicht bekomme ich die Katholische Jugend dazu überredet, den Ertrag vom nächsten "Rock für Ruanda" für das Nutzungsrecht dieser Straße zu verwenden. Oder man könnte Teilstücke an Butzweiler Bürger veräußern. Damit wäre allen gedient. Der Investor hätte Mauterträge, der Durchgangsverkehr im Ort zu der Bergstraße würde entlastet und die Kinder könnten wieder Radfahren lernen.

Lange Tradition hat in Deutschland auch, dass Schutzwälle und Mauern über kurz oder lang eingerissen werden. Ralph Gerten, Butzweiler

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