Bohrende Fragen ohne Gehorsam

TRIER. Kein leichter Auftritt für die OberbürgermeisterKandidaten: Politisch interessiert, unverbogen und hartnäckig quetschten 117 Schüler der Trierer Gymnasien und Berufsschulen die OB-Kandidaten Ulrich Holkenbrink und Klaus Jensen aus – und brachten zumindest Holkenbrink teilweise ganz schön ins Schwitzen.

Wer sich jahrelang mit Kommunalpolitik beschäftigt hat, kennt die verwaltungstechnischen und haushalterischen Fallstricke, die parteipolitischen Hürden und anderen "Umstände", wegen derer Vorhaben nur teilweise, verzögert oder gar nicht umgesetzt werden. Die Frustration darüber führt zu dem psychologischen Phänomen, dass man sich irgendwann gewöhnt an die weitschweifigen Erklärungen der Politiker und daran, dass es nur in kleinen Schritten, verzögert oder gar nicht vorwärts geht. Die 117 Schüler der Trierer Gymnasien und Berufsbildenden Schulen, die in die Aula des Trierer Angela-Merici-Gymnasiums zum TV-Oberbürgermeister-Forum gekommen waren, haben noch nicht resigniert. Und ihre Fragen sind auch frei von jenem vorauseilenden Gehorsam, den man manchem Offiziellen im Umgang mit den potenziellen künftigen Oberbürgermeistern anmerkt. In der Vorstellungsrunde setzt Ulrich Holkenbrink (CDU) auf Nähe: "Liebe Schülerinnen und Schüler", begrüßt er das junge Auditorium, erzählt von seiner Vergangenheit als Lehrer am Hindenburg-Gymnasium ("Ich seh' grad, der Malte ist auch da!"), seinem Wechsel ins Rathaus als Schuldezernent. "Ich bin in Duisburg geboren", stellt Jensen sich vor, grenzt sich so von Holkenbrinks Verwurzelung in der Region ab, betont aber gleichzeitig: "Ich bin 1976 als erster Sozialplaner der Stadt nach Trier gekommen und seitdem eng mit der Stadt verbunden." Dann geht es schon los mit der ersten Fragerunde - und wer dachte, die Schüler würden sich ohne Anleitung ihrer Lehrer zurückhalten, hätten zu viel Respekt oder zu wenig Ahnung von politischen Zusammenhängen, wird eines Besseren belehrt. Kaum ein kommunalpolitisches Thema wird ausgelassen: Verkehr, Soziales, Arbeitsmarkt, Sport und, natürlich, die Schullandschaft liegen den Schülern am Herzen. Doch zuerst wollen die jungen Leute wissen, wieso Jensen als unabhängiger Kandidat antritt, obwohl er und seine Frau Mitglieder der SPD sind und die Trierer SPD und die Grünen ihn unterstützen. Er mache keinen Hehl aus seiner Partei-Mitgliedschaft, "aber ein Oberbürgermeister muss sich ein hohes Maß an Unabhängigkeit bewahren", erklärt Jensen. Das reicht den Schülern nicht: "Hätten Sie als späterer OB keine Verpflichtungen gegenüber denen, die Sie jetzt unterstützen?", legt ein Schüler den Finger auf den neuralgischen Punkt. "Ich nehme von keiner Partei einen Cent an", kontert Jensen, "und meine Ein- und Ausgaben veröffentliche ich im Internet - so dass jeder sehen kann, dass ich mich nicht von Sponsoren abhängig mache." Sofort fragt ein Schüler nach, ob Holkenbrink seine Finanzen ebenfalls öffentlich mache. "Die Finanzen sind Parteisache, der Vorstand muss den Mitgliedern einen Rechenschaftsbericht vorlegen", sagt Holkenbrink, beteuert aber Unabhängigkeit: "Meine Schüler am HGT haben nie gemerkt, dass sie einen Parteivorsitzenden als Lehrer haben - ich habe alle immer gleich behandelt. So habe ich auch als Schuldezernent gehandelt und werde es auch als OB tun." Seine Kandidatur begründet Holkenbrink damit, dass der Parteitag ihn zum Kandidaten gekürt habe. Das reicht den Schülern nicht: "Meine Frage war, warum Sie ganz persönlich kandidieren", hakt der junge Mann nach. "Ich habe Verwaltung und Kommunalpolitik als Stadtratsmitglied und Dezernent von der Pike auf gelernt, das bestätigt mich, das Oberbürgermeisteramt ausüben zu können." Und dann schafft es ein Schüler tatsächlich, die offiziellen Fassaden zu durchbrechen: "Wie ist eigentlich ihr privates Verhältnis zueinander?" Der trockene Kommentar Jensens: "Wir begegnen uns freundlich." Und Holkenbrink: "Diesen Satz kann ich nur wiederholen." Klar, dass die Schüler das damit Gemeinte, aber nicht explizit Formulierte, problemlos verstehen. Der miserable Zustand der Trierer Schulen bingt die Emotionen zum Kochen: "Es gibt Toiletten, die sind in einem katastrophalen hygienischen und baulichen Zustand", kritisiert eine Schülerin der Berufsschulen. Die Erklärungen des Schuldezernenten Holkenbrink - der desolate städtische Haushalt, das von ihm initiierte Schulentwicklungs-Gremium, das langfristig Verbesserungen beiführen soll, die ADD, die der Stadt ein Kreditlimit auferlege, das nicht überschritten werden dürfe - können da nicht besänftigen. Mehrere Schüler heben die zuvor verteilten gelben Karten, um zu signalisieren, dass der Kandidat vom Thema abweicht. "Sie sind schon so lange Schuldezernent - und es hat sich nichts geändert", kritisiert ihn eine Schülerin deutlich. Die Versprechungen Jensens, er werde als OB den Schulen ganz deutliche Priorität einräumen, hören die Schüler offensichtlich lieber. Auch wenn Jensen auf die Frage, an welcher anderen Stelle dann Abstriche gemacht werden müssten, keine konkrete Angabe macht. Ausschnitte der Veranstaltung werden am heutigen Freitag ab 18 Uhr auf dem Fernsehprogramm Antenne West gezeigt.

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