Bombenangriff auf Trier: Die Glocken starben am 14. August 1944

Annemarie Zander, geboren 1913 und damals Sekretärin am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium, hat den Bombenangriff des 14. August 1944 in ihrem Wohnhaus in der Altstadt erlebt. Hier schildert die 101-jährige Triererin ihre Erlebnisse, die sie auch heute noch bewegen.

Strahlendes Hochsommerwetter konnte uns im August 1944 nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Front bedrohlich näher gerückt war. Die Abstände zwischen Fliegeralarm und Überflug der Maschinen der englischen und amerikanischen Maschinen waren bereits so kurz, dass man mit Not gerade noch die Kellereingänge erreichen konnte. In die Keller selbst aber gingen wir immer noch nicht. Wir standen meist an den Eingängen und schauten gen Himmel.

Zufallsinferno aus heiterem Himmel

So war es auch am Montag, 14. August 1944, als gegen 13 Uhr Flugzeuge Trier in sehr großer Höhe überflogen. Sie sahen aus wie Silberfischlein. Plötzlich kamen die viermotorigen Maschinen mit lautem Rauschen tiefer. Dann klickte und blitzte es über uns, und wir sahen Bündel von silbrigen Stäben, die in der Sonne glitzerten und mit lautem Knistern und Prasseln gerade auf uns zuzufallen schienen. Wir waren schnell im Keller!
Als nach bangen Minuten endlich die Entwarnung kam, brannte es bereits an vielen Stellen im gesamten Dombereich und im Gartenfeld lichterloh. Bald hörten wir von Passanten, dass der ganze Bereich bereits von Militär abgeriegelt sei, um die Löscharbeiten nicht zu behindern. Alle verfügbaren Kräfte mussten helfen. Die Wehren aus der ganzen Umgebung wurden alarmiert und waren noch tagelang im Einsatz. Da die vorsorglich angelegten Löschteiche bei diesem Flächenbrand nicht ausreichten, wurden Schlauchleitungen von der Mosel her kommend durch Krahnen-, Johannis-, Nagel-, Hosen- und Jesuitenstraße verlegt.
Die Aufregung war sehr groß, denn jetzt rechneten wir mit weiteren schweren Angriffen ... So stieg ich in den späten Nachmittagsstunden die 94 Stufen zu meiner damaligen Wohnung im obersten Stock des Hauses Fleischstraße hoch, um für die Nacht vorzusorgen. Es war reiner Zufall, dass ich noch zu einem abgelegen Flurfenster ging, von dem aus man hinüber zu Dom und zu Liebfrauen sehen konnte.Überall nur Flammen

 Annemarie Zender wurde 1933 geboren. Sie hat den Bombenangriff am 14. August 1944 in ihrem Wohnhaus in der Altstadt erlebt. Die Triererin ist 101 Jahre alt.

Annemarie Zender wurde 1933 geboren. Sie hat den Bombenangriff am 14. August 1944 in ihrem Wohnhaus in der Altstadt erlebt. Die Triererin ist 101 Jahre alt.

Foto: Stadtarchiv/Roland Morgen
 Die Schwarz-Weiß-Fotos mit der Glocke Bertes und den Ruinen von Kurfürstlichem Palais und Konstantin-Basilika hat das Stadtarchiv Trier zur Verfügung gestellt.

Die Schwarz-Weiß-Fotos mit der Glocke Bertes und den Ruinen von Kurfürstlichem Palais und Konstantin-Basilika hat das Stadtarchiv Trier zur Verfügung gestellt.

Foto: Stadtarchiv/Roland Morgen
 Der Dom in Flammen, weite Teile der Altstadt in Trümmern: Die Aufnahmen machte Theodor Konrad Kempf (1914-2004), damals Bistumsarchäologe, unmittelbar nach dem Bombardement. Wir veröffentlichen sie mit freundlicher Erlaubnis des Museums am Dom.

Der Dom in Flammen, weite Teile der Altstadt in Trümmern: Die Aufnahmen machte Theodor Konrad Kempf (1914-2004), damals Bistumsarchäologe, unmittelbar nach dem Bombardement. Wir veröffentlichen sie mit freundlicher Erlaubnis des Museums am Dom.

Foto: Stadtarchiv/Roland Morgen
 Der Dom in Flammen, weite Teile der Altstadt in Trümmern: Die Aufnahmen machte Theodor Konrad Kempf (1914-2004), damals Bistumsarchäologe, unmittelbar nach dem Bombardement. Wir veröffentlichen sie mit freundlicher Erlaubnis des Museums am Dom.

Der Dom in Flammen, weite Teile der Altstadt in Trümmern: Die Aufnahmen machte Theodor Konrad Kempf (1914-2004), damals Bistumsarchäologe, unmittelbar nach dem Bombardement. Wir veröffentlichen sie mit freundlicher Erlaubnis des Museums am Dom.

Foto: Stadtarchiv/Roland Morgen


Und ausgerechnet in dieser Minute erlebte ich den vermutlich dramatischsten Augenblick des ganzen Dombrandes. Wohin man schaute - überall nur Flammen!
Aus dem Turmhelm des Greiffenklau-Turms schlugen in unregelmäßigen Abständen haushohe Flammen.
Man versuchte also von irgendwoher zu löschen, doch die Balken des Dachstuhls waren zu diesem Zeitpunkt schon so weit heruntergebrannt, dass an Rettung kaum noch zu denken war. Da löste sich plötzlich ein Balken, schwankte etwas nach Osten aus, als werde er abstürzen, wurde aber gleich wieder zurückgerissen, und mit unvorstellbarem Getöse stürzte im selben Augenblick der brennende Glockenstuhl mit dem gesamten Geläute in die Tiefe. Eine schwarze Rauchwolke quoll sofort aus dem Turm hoch und hüllte die stark beschädigte Mauerkrone bald in undurchsichtiges Dunkel. Minutenlang schwebten die letzten schauerlichen Töne der zerborstenen Glocken in der Luft - vor allem das dumpfe Grollen des Bertes -, bis sie langsam schwächer wurden und endlich im Rauschen und Singen des Flammenmeeres ganz untergingen.
Mir stockte der Atem. Ich konnte mich lange nicht vom Fleck bewegen - fassungslos, dass ausgerechnet unser Dom das erste große Opfer des Krieges in Trier geworden war. Völlig verstört bin ich in den Keller zurückgegangen.
Die Löscharbeiten zogen sich noch viele Tage hin. Immer wieder entstanden neue Brandherde durch den Phosphor. Bis zu jenem denkwürdigen 14. August hatten wir in dem Wahn gelebt: Trier ist Lazarettstadt und wird nicht bombardiert. Diese Illusion war endgültig zerplatzt wie eine Seifenblase. Nun hing die Angst wie ein Damoklesschwert über uns. Wir warteten sehnsüchtig nur noch auf das Ende des Krieges von dem längst klar war, dass wir die Verlierer sein würden.

Aufgezeichnet von
Roland Morgen

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