Boston, Riga, Tokio und Waldrach

Die Orgelszene der Stadt und der Region Trier gehört zu den aktivsten und vielseitigsten in der Bundesrepublik. In der katholischen Pfarrkirche in Waldrach feierte man jetzt das 40-jährige Bestehen einer Orgel, die vielleicht nicht zu den Spitzeninstrumenten gehört, im Gesamtbild der Entwicklung dieser Szene aber einen berechtigten Platz für sich reklamieren darf.

 Der Aachener Domorganist Norbert Richtsteig an der Waldracher Orgel. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Der Aachener Domorganist Norbert Richtsteig an der Waldracher Orgel. TV-Foto: Gerhard W. Kluth

Waldrach. (gkl) Das Jahr 2000 markierte für den deutschen Orgelbau eine Zäsur. In diesem Jahr musste eine der renommiertesten Orgelbaufirmen, die Firma E. F. Walcker, Insolvenz anmelden. Ein Nachfolgeunternehmen konnte sich noch zwei Jahre über Wasser halten, bevor es 2002 in den Konkurs gehen musste. Damit war ein Unternehmen, das seit 1780 über zwei Jahrhunderte Orgelbaugeschichte geschrieben hatte, selbst zur Geschichte geworden. Gewaltige Instrumente hatten die Werkstätten des ursprünglich im baden-württembergischen Ludwigsburg beheimateten und später ins saarländische Kleinblittersdorf übersiedelte Familienunternehmen hinterlassen. Der Weltruf, den die Firma genoss, begründete sich auf Instrumente im Ulmer Münster, in der Konzerthalle in Boston oder auch im Dom zu Riga. Etwa 6000 Instrumente wurden mit dem Firmenschild versehen und viele Orgelbauer weltweit, die sich selbstständig machten, gehörten vorher zum Mitarbeiterstab dieses Unternehmens.Geburtstagsständchen aus acht Ländern

Auch in der hiesigen Region war die Firma Walcker aktiv, hat man sie beauftragt, Instrumente in Gotteshäusern zu bauen. So auch in der katholischen Pfarrkirche St. Laurentius in Waldrach. 1967, zwei Jahre, nachdem durch Walcker erstmals eine Orgel in einem buddhistischen Tempel in Tokio erbaut wurde, errichteten die Schwaben 25 Register, verteilt auf zwei Manuale und Pedal, in der neugotischen Kirche. Nach heutigen Gesichtspunkten ist diese Orgel "nichts Besonderes", vergleicht man sie mit den Instrumenten, die in der Zwischenzeit in der Region erbaut wurden. Aber sie ist ein wichtiges Klangdokument ihrer Zeit, und die Waldracher sind stolz auf ihre musikalische Königin, die ihnen beim Lob Gottes treue Dienste leistet. So stolz, dass sie ihrer Orgel mit einem Konzert eine Geburtstagsfeier ausrichteten. Als Solisten hatten sie den Aachener Domorganisten Norbert Richtsteig gewinnen können.Entsprechend der internationalen Bedeutung des Orgelbauers hatte Richtsteig ein Programm zusammen gestellt, das Musik aus acht Ländern beinhaltete. Russland war mit der Toccata von Georgi Mushel genauso vertreten wie die Niederlande mit der Fantasie-Sonate Nr. 2 von Samuel de Lange, Frankreich mit einem Minuetto von Eugène Gigout genauso wie Ungarn mit Zoltán Kodálys "Ite missa est". Der deutsche Vertreter war Johann Sebastian Bach mit der Partita "O Gott, du frommer Gott", BWV 767. Richtsteig verstand es mühelos, die vielseitige Farbigkeit des Instrumentes zu präsentieren, zeigte auf, wie viel Klangpotenzial in der Orgel steckt. Runde Flöten schmeichelten dem Ohr, prägnante Trompetenklänge setzten Signale und ein sattes Plenum erfüllte das Gotteshaus. Herzlicher und langanhaltender Applaus des großen Publikums dankte dem Aachener Domorganisten.

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