Buddeln bis in Triers Frühgeschichte: Grabungsstelle an der Weberbach erweist sich als reichhaltige Fundgrube

Trier · Wo vor mehr als 1700 Jahren römische Trierer ihre Häuser aufgeben mussten, entstehen bis Ende 2017 neue Eigentumswohnungen. Das Bauprojekt "Domizil an den Thermen" gewährt den Archäologen des Rheinischen Landesmuseums spannende Einblicke in die Entwicklung der antiken Stadt und der Kaiserthermen.

 ArchŠologischen Grabungsarbeiten an der Weberbach. Felix Schoemer (l) und Hubert Schmitz TV-Foto: Friedemann Vetter

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Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier. Es waren luxuriöse Behausungen, die im dritten Jahrhundert nahe der heutigen Weberbach standen. Die Villen säumten eine Ost-West-Straße, die mitten hinein ins Forum führte, das politische und wirtschaftliche Zentrums des römischen Triers. Aber gerade diese exklusive Lage wurde den Hausbesitzern zum Verhängnis. Um 300 mussten sie das Feld räumen. Trier war seit einigen Jahren Hauptstadt des weströmischen Reiches, und der Kaiser meldete "Eigenbedarf" an. Ob schnöde Enteignung oder Umsiedlung der Bewohner in einen anderen Teil der Stadt den Weg frei machte, ist nicht bekannt. Fest aber steht: Die Wohnhäuser nahe der Weberbach wurden regelrecht plattgemacht, um auf diesem Areal die Kaiserthermen zu errichten, eine gigantische, zum Palastbezirk gehörende Wellnessanlage.
So weit, so bekannt. Gänzlich neu ist aber die Erkenntnis, dass nicht, wie bislang angenommen, die Weberbach den westlichen Abschluss der Kaiserthermen und des Palastbezirks darstellte, sondern noch eine vorgelagerte Toranlage jenseits der Straße dazugehörte. Besser gesagt: Dazugehören sollte. "Der Torbau ist wohl nicht über Fundamentebene hinausgekommen", glaubt Joachim Hupe (49). Der Stadtarchäologe in Diensten des Rheinischen Landesmuseums leitet die vor neun Monaten begonnenen Grabungsarbeiten an der Weberbach - und ist hellauf entzückt: "Wir graben in einer sehr reichhaltigen Fundgrube."
Der bislang spektakulärste Fund sind zwei massive Fundamentstümpfe aus Muschelkalk-Steinen und Ziegeln als Relikte einer nie zu Ende gebauten dreitorigen Portalanlage. Hupe: "Offenbar sind die Bauarbeiten schon früh zum Erliegen gekommen." Wie auch bei den Kaiserthermen selbst. Als Kaiser Konstantin anno 316 Trier den Rücken kehrte, wurden die Arbeiten an den monumentalen Palastthermen eingestellt. Erst Jahrzehnte später vollendeten die Kaiser Valentinian und Gratian das Projekt - in allerdings stark abgespeckter Version abseits von Triumphalarchitektur. Der Portalbau jenseits der Weberbach blieb sprichwörtlich "außen vor". Wohl nicht zuletzt aus Kostengründen: Die Fundamente sind stark genug, um ein 20 Meter hohes Gebäude zu tragen. Doch auch das Unvollendete hat seinen Reiz: "Die neu aufgedeckten Fundamentstrukturen sind für die Planungs- und Baugeschichte der Kaiserthermen von hoher wissenschaftlicher Bedeutung", sagt Hupe.
Auch für die Stadtentwicklung im Mittelalter liefert die "Fundgrube" wichtige Erkenntnisse. Erst rund 1000 Jahre nach den Römern, die ihre Häuser hatten aufgeben müssen, kamen neue Bewohner an die Weberbach. Davon zeugen die Überreste der Keller von vier gotischen Stadthäusern, die das Landesmuseumsteam ausgegraben und dokumentiert hat. Das etwa 700 Jahre alte Mauerwerk besteht aus recycelten Römersteinen und Baugliedern wie Säulenschäften. Die Häuser fielen den schweren britischen Bombardements am 19., 21. und
23. Dezember 1944 zum Opfer. Die Ruinen wurden nach dem Krieg abgerissen, das einplanierte Gelände diente bis in jüngster Zeit als Parkplatz. Bis zum kommenden September werden sich die Archäologen auf dem 1800 Quadratmeter großen Areal noch tiefer in Triers Stadtgeschichte hineinbuddeln. Hupe: "Unsere weiteren Untersuchungen konzentrieren sich auf die frührömische Phase vor gut 2000 Jahren." Sie gelten insbesondere der auf das Forum zulaufenden Ost-West-Straße. Die untersten Schichten des im Lauf der Jahrhunderte mehrfach aufgehöhten Straßendamms versprechen spannende Erkenntnisse aus der Zeit der Gründung Triers um 17. v. Chr.
An Grabungsort und -stelle erhalten bleibt übrigens nichts. Fundmaterial wie Münzen, Keramikscherben, Architekturteile oder ein jüngst entdeckter Ringstein aus dem ersten Jahrhundert (Motiv: Ziegenbock vor Brunnen) wandern zur weiteren Untersuchung und Bearbeitung in die Magazine und Werkstätten des Landesmuseums.
Was bleiben wird, ist archäologische Wüste. Das römisch-mittelalterliche Mauergewirr wird von der Bildfläche verschwinden wie vor 1700 Jahren die Römervillen. Allerdings wird es nun nicht wieder ein Jahrtausend dauern, bis neue Wohnungen entstehen.Extra

 ArchŠologischen Grabungsarbeiten an der Weberbach TV-Foto: Friedemann Vetter

ArchŠologischen Grabungsarbeiten an der Weberbach TV-Foto: Friedemann Vetter

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 Die Fundgrube aus Richtung Weberbach: Hinten links die Rückseiten der Häuser an der Kaiserstraße, rechts die Turnhalle des Angela-Merici-Gymnasiums.

Die Fundgrube aus Richtung Weberbach: Hinten links die Rückseiten der Häuser an der Kaiserstraße, rechts die Turnhalle des Angela-Merici-Gymnasiums.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
 So sah es einst an der Weberbach aus: Häuserfront um 1935 an der heutigen Grabungsstelle und Zeichnung des westlichen Kaiserthermen-Portals.

So sah es einst an der Weberbach aus: Häuserfront um 1935 an der heutigen Grabungsstelle und Zeichnung des westlichen Kaiserthermen-Portals.

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Wo jetzt noch die Archäologen graben, entsteht ab kommendem Oktober das "Domizil an den Thermen", ein Gemeinschaftsprojekt der Stadtwerke Trier (SWT) und der Wohnungsbau und Treuhand AG (gbt). Geplant sind 33 Eigentumswohnungen (55 bis 140 Quadratmeter groß) und vier Läden (55 bis 135 Quadratmeter) sowie eine zweigeschossige Tiefgarage mit 57 Stellplätzen. Obwohl voraussichtlich erst Ende 2017 bezugsfertig, sind laut gbt-Prokurist Wilhelm Keul "bereits 50 Prozent der Wohnungen verkauft". Die Gesamt-Investitionssumme liege im "niedrigen achtstelligen Euro-Bereich". rm.

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