"Bürger müssen Mehrheiten akzeptieren"

Das Spannungsfeld zwischen Wutbürgern und Regierungsverantwortung hat der Trierer Politologe Axel Misch beim CDU-Neujahrsempfang in Trier beschrieben. Sein Rat: Bürger sollten frühzeitig in Projektplanungen einbezogen werden.

 Professor Axel Misch (rechts) von der Uni Trier referiert über „Wutbürger und Regierungsverantwortung“. Links Udo Köhler, Vorsitzender der CDU Trier-Mitte/Gartenfeld. TV-Foto: Marcus Hormes

Professor Axel Misch (rechts) von der Uni Trier referiert über „Wutbürger und Regierungsverantwortung“. Links Udo Köhler, Vorsitzender der CDU Trier-Mitte/Gartenfeld. TV-Foto: Marcus Hormes

Trier. (cus) Nach SPD, FDP und Grünen lud auch die Trierer CDU zu einem Neujahrsempfang, organisiert vom Stadtbezirksverband Trier-Mitte/Gartenfeld um den Vorsitzenden Udo Köhler (47). Bei der Auswahl des Referenten hatte der Vorstand keine parteipolitischen Berührungsängste: Professor Axel Misch, Politikwissenschaftler an der Uni Trier, ist seit Jahrzehnten SPD-Mitglied. Der 68-Jährige bezeichnet sich allerdings als "Karteileiche und Wechselwähler".

Vor rund 40 Besuchern im Lesesaal des Priesterseminars erklärte Misch das Phänomen, das hinter dem Wort des Jahres 2010 steckt. "Wutbürger" bringen ihren Protest auf die Straße, verlieren mitunter in der politischen Diskussion die bürgerliche Haltung und Gelassenheit.

Misch führt dies auf veränderte Rahmenbedingungen zurück. So verzeichneten Nationalstaaten einen dramatischen Kompetenzverlust. Den Einrichtungen der Europäischen Union brächten Bürger kaum Vertrauen entgegen. Zudem nehme die Parteibindung weiter ab. "Heute wählen die Wähler wirklich, das heißt mitunter wechseln sie zu einer anderen Partei oder enthalten sich", stellte der Professor fest.

Statt drei Parteien wie in den 60er und 70er Jahren sind heute fünf im Bundestag vertreten. Forscher sehen sogar ein Potenzial von 20 bis 25 Prozent für eine rechtspopulistische Partei. "In Deutschland fehlt allerdings ein charismatischer Führer wie Geert Wilders in den Niederlanden oder früher Jörg Haider in Österreich", schränkte Misch ein.

Bedenken gegen direkte Demokratie



Was also ist zu tun? Die geforderte Einführung von Elementen direkter Demokratie mit Volksentscheiden auf Bundesebene hält Misch für einen tiefen Eingriff ins Gefüge der Verfassungsordnung. Ratsam sei hingegen, Bürger frühzeitig in Planungen einzubeziehen. Engagement durch friedlichen Protest sei gut für die Demokratie, aber: "Bürger müssen auch akzeptieren, wenn Mehrheiten nach den üblichen Verfahren Entscheidungen getroffen haben." Berti Adams, CDU-Direktkandidat bei der Landtagswahl am 27. März, verteilte Viez-Flaschen mit seinem Konterfei an die Gäste. In drei bis vier Wochen will der 57-Jährige einen Wahlprogrammentwurf speziell für seinen Wahlkreis Trier vervollständigen.

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