Bürgerhaushalt verzichtet nicht auf Blutgeld

Exakt 362,50 Euro zahlt die Stadt Trier jährlich an die Pfarrei Liebfrauen für einen Kredit aus dem 16. Jahrhundert. Kreditgeber war Dietrich Flade, dessen Nachlass nach seiner Hinrichtung als Hexer an die Kirche gefallen war. Den Bürger-Vorschlag, die Zahlung aus dem städtischen Etat zu streichen, weist die Stadt zurück.

Trier. Dietrich Flade war im Trier des ausgehenden 16. Jahrhunderts ein angesehener Mann: Er war nicht nur kurfürstlicher Statthalter, Schultheiß - also Bürgermeister -, Richter sowie Professor und Rektor der Universität Trier, sondern auch einer der reichsten Männer der Stadt. Wohl auch deshalb lieh er seiner offenbar schon damals klammen Heimatstadt 4000 Goldgulden.

Zahlung läuft über unbestimmte Zeit



Doch nur wenige Jahre später wurde Flade - der lange Jahre selbst Todesurteile in Hexenprozessen gesprochen hatte - selbst der Hexerei beschuldigt und 1589 hingerichtet.

Sein Vermögen fiel nach seinem Tod der Kirche zu, auch der Schuldschein über den gewährten Goldgulden-Kredit. Fortan zahlte die Stadt an die Kirche - und überweist auch heute noch jährlich exakt 362,50 Euro an die Innenstadtpfarrei St. Liebfrauen. Die Überweisungen dienen allerdings keineswegs dazu, den Kredit abzutragen, vielmehr handelt es sich um eine auf unbestimmte Zeit mit dem damaligen Erzbischof vereinbarte Zinszahlung.

Im Rahmen des ersten Trie-rer Bürgerhaushaltes - bei dem Oberbürgermeister Klaus Jensen die Trierer dazu aufgerufen hatte, Spar-, Einnahme- und Investitionsideen für den städtischen Haushalt 2010 einzureichen - hat nun ein Trierer die Gelegenheit genutzt. Unter dem Decknamen "Steiermark" und der laufenden Bürgerhaushalts-Nummer 2469 fordert er, die Zinszahlung einzustellen. Denn bei dem an die Kirche zurückgefallenen Flade-Nachlass handele es sich um Blutgeld, das die Kirche sich zu Unrecht zugesprochen habe, argumentiert "Steiermark" und fordert die ersatzlose Streichung dieses Haushaltstitels aus dem Kultur-Etat. Kulturdezernat und Steuerungsausschuss diskutierten zwar in der vorigen Woche, beließen die Zinszahlung jedoch im Haushaltsentwurf.

Geld fließt in die kirchliche Sozialkasse



Schließlich handele es sich dabei keineswegs um Blutgeld, sondern um eine vertraglich vereinbarte Zinszahlung für den damals nun mal in Anspruch genommen Kredit, teilt das städtische Presseamt mit. Außerdem gehe es "um einen Betrag, der die Stadt Trier nicht ärmer macht, als sie es ohnehin schon ist, zum anderen liegt hier ein vielleicht ungewöhnlicher, aber im Grunde genommen doch sympathischer Akt fiskalischer Traditionspflege vor", erklärt Pressesprecher Ralf Frühauf. Zudem werde durch die Zahlung - ebenso wie durch die Benennung der "Dietrich-Flade-Straße" auf der Tarforster Höhe - der vielen unschuldigen Opfer des Hexenwahns gedacht und eine zumindest symbolische Wiedergutmachung angeregt.

Hans-Wilhelm Ehlen, Pfarrer von Liebfrauen, sieht die Sache etwas praktischer: "Das Geld fließt in unsere Sozial-Kasse, wir unterstützen davon arme Leute." Zudem sei die Stadt vertraglich an die Zahlung gebunden. "Schließlich hat sie damals ja auch die entsprechende Goldmenge erhalten." Hätte sie diese gut angelegt, dürfte die Zinszahlung heute kein Problem sein.

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