Bürgersprechstunde auf Facebook ist noch nicht in Sicht

Trier · Rund 64.000 Mitglieder hat das Internet-Netzwerk Facebook nach eigenen Angaben in Trier und Umgebung (Radius: 16 Kilometer). Keine Frage, das Netzwerk hat also eine gewisse Bedeutung. Wie wichtig ist es für führende Kommunalpolitiker? Die Meinungen gehen stark auseinander.

800 Millionen Menschen weltweit nutzen das Online-Netzwerk Facebook. Facebook ist das größte der so genannte social networks (soziale Netzwerke). Die Nutzer treffen dort Freunde, diskutieren mit ihnen, sie hören Musik, sie erzählen aus ihrem Privatleben oder von der Arbeit, sie verabreden sich, sie spielen, sie gründen Interessengruppen - und manchmal mischen sie sich sogar in die Politik ein - so wie in diesem Jahr in Trier. Eine Facebook-Gruppe, in der sich rund 4200 Mitglieder gegen die Schließung der Tankstelle in der Trierer Ostallee aussprachen und 1800 dafür, war mit ein Grund dafür, dass der Stadtrat mehrheitlich den entsprechenden Beschluss revidierte. Ist Facebook also, unter anderem, ein neues Mittel der politischen Kommunikation? Der TV hat sich angesehen, wie die Kommunalpolitiker in Trier mit dem sozialen Netzwerk umgehen.

Am klarsten, nämlich eindeutig negativ, fällt das Fazit von Angelika Birk aus. Die Trierer Sozialdezernentin ist nicht Mitglied bei Facebook und wird es wohl auch nicht werden: "Ich habe keine zusätzliche Zeit und bevorzuge reale Kommunikation oder Email", teilt Birk über das Presseamt mit. "Diese möchte ich nicht schmälern zugunsten von Facebook." Ihre Ablehnung ist grundsätzlicher Art. Bei Facebook und ähnlichen Plattformen gebe es massive Datenschutzprobleme, sie seien Einfallstore für neue Varianten von Spam und sie würden von Werbung strategisch genutzt. "Dies macht mir das Medium nicht sympathischer", sagt die Grünen-Politikerin.

Ihre Kollegin Simone Kaes-Torchiani ist da offenbar nicht ganz so ablehnend eingestellt. Sie ist seit rund zehn Monaten bei Facebook vertreten. Bei diesem Thema liegt es nahe: statt übers Presseamt sucht der TV den Kontakt direkt auf Facebook. Es tut sich: nichts. Die Freundschaftsanfrage des Reporters bleibt unbeantwortet, die per Facebook-Nachricht geschickten Fragen auch. Sehr aktiv scheint Kaes-Torchiani bei Facebook nicht zu sein. Sie hat 63 "Freunde", viele davon aus der Trierer Polit-Szene, und sie hat noch fast nichts an ihrer "Pinnwand" hinterlassen, außer der Tatsache, dass sie das Olewiger Weinfest besucht hat. Außerdem kann jeder Facebook-Nutzer ihr Geburtsdatum und ihren Geburtsort erfahren sowie die Tatsache, dass sie an der FH Koblenz studiert hat. Es gibt ein Foto, das sie selbst zeigt, und ein Album mit 37 Landschafts-Bildern von einem Australien-Urlaub. Ihre Privatsphäre versucht die CDU-Dezernentin also weitgehend aus der öffentlichen Facebook-Präsenz herauszuhalten - und eine intensive Nutzerin ist sie wohl nicht.

Das ist bei Thomas Egger anders. Der Kultur- und Wirtschaftsdezernent lässt Besucher vor seinem Büro schon mal fünf Minuten warten, weil er dringend noch einen Kommentar zu einem wichtigen stadtpolitischen Thema auf Facebook abgeben muss. Keine Frage: Egger ist ein aktiver Facebook-Nutzer. Er hat 499 Facebook-Freunde, erzählt im Netzwerk sein Leben so wie viele Millionen anderer Nutzer auch. Er kündigt den Theaterbesuch an, lobt anschließend das Stück und diskutiert mit Freunden darüber, berichtet von einem Kultur-Kongress in Berlin oder vom Parteitag der Trierer FDP. Und er antwortet prompt auf die Volksfreund-Anfrage über das Netzwerk.

Angefangen hätten seine Facebook-Aktivität privat, mittelerweile häuften sich Freundschafts-Anfragen von Menschen, die er über seine Funktion als Dezernent kennengelernt habe. Er lasse aber nicht jeden als "Freund" zu, ein gewisser Grundkontakt oder zumindest Schnittflächen müsse es geben. Egger steht dem Netzwerk positiv gegenüber, es sei eine Möglichkeit, unkompliziert mit Bürgern in Kontakt zu treten, und diese Möglichkeit werde auch genutzt. "Problematisch ist nur, dass natürlich auch eine gewisse Erwartungshaltung damit verbunden ist, die nicht immer erfüllt werden kann", sagt Egger. "So bin ich nicht in der Lage, schnell auf Anfragen zu reagieren, weil ich nicht permanent online sein kann. Und selbst wenn ich einmal am Tag hereinschaue, kann ich nicht immer reagieren, weil ich mir erst Informationen besorgen muss." Facebook sei ein Zeitfresser, wenn man es verstärkt nutzen wolle, bestätigt er sozusagen die Befürchtung seiner netzfernen Kollegin Angelika Birk, aber: "Bei mir hält es sich derzeit noch in Grenzen."

Mangelnde Zeit - das ist auch für den Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen einer der Hauptgründe, nicht bei Facebook vertreten zu sein. ""Aufgrund meiner knappen Zeit und der Vielzahl von Verpflichtungen muss ich Prioritäten setzen. Hier setze ich bevorzugt auf Gespräche mit den Bürgern sowie den Vertretern von Institutionen." Grundsätzlich hält er die Sozialen Netzwerke aber für "wichtige und nicht zu ignorierende Instrumente, um Meinungen oder Stimmungen über ein Vorhaben zum Ausdruck zu bringen". Das überrascht nicht, ist doch seine Frau, die rheinland-pfälzische Sozialministerin Malu Dreyer eine ausgesprochen rege Facebook-Nutzerin. Die SPD-Politikerin hat über 3100 Facebook-Freunde und gibt mit meist kurzen, vom Mobiltelefon Blackberry geschickten Nachrichten, viele Einblicke in Privat- und Arbeitsleben, vom Mitfiebern bei Eintracht Trier, Borussia Dortmund und der TBB über das Hin- und Herjetten zwischen Mainz und Berlin bis zum Kommentar über den Glühwein auf dem Trierer Weihnachtsmarkt. Eine TV-Anfrage über Facebook bleibt allerdings auch bei ihr unbeantwortet.

Ganz unkritisch sieht ihr Gatte Klaus Jensen die Netzwerke allerdings nicht - und hier scheinen die Erfahrungen mit der Tankstellendebatte Wirkung zu zeigen: "Für eine inhaltliche und differenzierte Auseinandersetzung sind sie unzureichend", sagt der OB. "Entscheidungen über vielfach sehr komplexe Sachverhalte bedürfen immer auch der Abwägung, um den unterschiedlichen Facetten gerecht zu werden. Die Sozialen Netzwerke im Internet sind in Sachen politischer Kommunikation daher eine Ergänzung, aber keine maßgebliche Entscheidungsgrundlage für kommunale Vorhaben", so Jensen. Eine ähnliche Kritik hat Jensen an einer Internet-Kommunikationsform, mit der er beim ersten Mal im April 2008 noch eine Art Vorreiter war: Damals stellte sich der OB den Bürgern direkt im Internet-Chat. Der Erfolg war allerdings mäßig, erinnert sich Jensen. Es habe nur wenige Teilnehmer gegeben, und in der Sache sei der Chat auch unbefriedigend verlaufen. "Die Chats können der differenzierten Auseinandersetzung eines vorgegebenen Themas nicht gerecht werden."

Konsequenz: Die Chats mit dem OB wurden nach der zweiten, ebenfalls nicht sehr gut besuchten Runde Anfang 2010 wieder abgeschafft.

Eine Bürgersprechstunde auf Facebook, die sich Thomas Egger durchaus vorstellen kann, dürfte es also beim Oberbürgermeister bis auf Weiteres nicht geben. Auch beim Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz ist die nicht in Sicht. Soziale Netzwerke finde er gut, wenn sie sinnvoll genutzt würden und man verantwortungsvoll damit umgehe, teilt er mit. Er selbst nutze sie nicht, weil ihm die Zeit fehle, dauerhaft und kontinuierlich diese Form der Kontakte zu pflegen. Zwar wendeten sich immer mehr Bürger per Email an die Verwaltung, er selbst bevorzuge aber als Kommunikation das persönliche Gespräch. "Die Erfahrungen aus den Bürgersprechstunden zeigen, dass es sich oftmals um recht persönliche Probleme handelt, mit denen sich Bürger an mich wenden", sagt Schartz. "Da ist für mich der Kontakt face-to-face (von Angesicht zu Angesicht) unersetzbar."

Extra

Wie funktioniert das Netzwerk Facebook?Für Menschen, die sich im viel und häufig im Internet bewegen, sind Begriffe wie soziales Netzwerk, Freunde, posten, anstupsen oder hochladen Selbstverständlichkeiten. Für viele andere aber nicht. Der Versuch, einer möglichst einfachen Erklärung von Facebook-Begriffen:

Einen Facebook-Account, also die Anmeldung bei Facebook, kann generell jeder bekommen, der einen Internetzugang und eine Email-Adresse hat. Facebook-Mitglied zu sein, kostet nichts. Man kann sich unter seinem echten Namen anmelden, aber auch unter einem Fantasienamen. Welche Informationen man in seinem Profil veröffentlicht, bleibt jedem Nutzer selbst überlassen. Theoretisch kann man alle möglichen privaten Daten von den Lebensstationen wie Geburtsdatum, Kindergarten, Schule und Ausbildung bis zum Arbeitsplatz über alle möglichen Adressdaten vom Wohnort bis zur Telefonnummer bis hin zu allen möglichen privaten Vorlieben von Musik, Büchern, Filmen und allen nur denkbaren Hobbies im Netzwerk veröffentlichen. Jeder Nutzer kann entscheiden, wem er seine Daten zugänglich macht. Freunde auf Facebook sind die Kontakte mit anderen Nutzern. Das müssen nicht notwendigerweise echte Freunde sein, sondern können auch einfach Bekanntschaften oder wildfremde Menschen sein.

Einen Kontakt schließt man, in dem man eine Freundschaftsanfrage an einen anderen Nutzer stellt oder die eines anderen Nutzers positiv beantwortet. Wer sich in Facebook einwählt, der sieht, was sich bei seinen Freunden tut, welche Daten sie veröffentlichen, mit wem sie befreundet sind, welche Kommentare sie abgeben. Er kann darauf mit eigenen Kommentaren reagieren oder mit dem mittlerweile auch außerhalb des Netzwerks bekannten "Gefällt mir"-Knopfs, einem in die Höhe gereckten Daumen. Die Kommentare, Fotos oder Videos, die ein Nutzer veröffentlicht, werden auf seiner Pinnwand veröffentlicht.

Facebook-Nutzer finden sich innerhalb des Netzwerkes zu Gruppen zusammen, die gemeinsame Interessen verbindet. So gibt es in Trier beispielsweise einen Debattierclub (24 Mitglieder), die Techno-Gruppe (31 Mitglieder) oder die Viezfreunde (204 Mitglieder). Gruppen können offen sein, das heißt, jeder kann beitreten oder geschlossen, dann bestimmen die Administratoren über die Aufnahme, das sind die Gründer und/oder Verwalter der Gruppe. Neben den Facebook-Nutzern, hinter denen echte Menschen stecken, gibt es auch mittlerweile sehr viele Facebook-Seiten von Unternehmen, die sich dort präsentieren und bewerben können.

In Deutschland gibt es nach Angaben von Facebook über 20 Millionen Menschen, die in dem Netzwerk aktiv sind. Aktiv bedeutet: Sie haben sich in den letzten 30 Tagen mindestens einmal eingeloggt. Gegründet wurde Facebook im Jahr 2004 vom Studenten Mark Zuckerberg in den USA. Facebook finanziert sich über Werbung, die auf den Seiten eingeblendet wird und die sich an den Interessen der Nutzer orientiert.Da Facebook nicht an der Börse notiert ist, gibt es keine genauen Umsatzzahlen. Medienberichten zufolge soll die Firma 2010 einen Umsatz von zwei Milliarden Dollar erzielt haben. Die Hauptkritik am Netzwerk ist die Frage, ob und wie Facebook den Datenschutz der Nutzer gewährleistet. mic

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