Christopher Street Day (CSD) in Trier: Buntes Treiben und andächtiges Trauern

Trier · Der diesjährige CSD hat die Menschen auf dem voll besetzten Kornmarkt begeistert. Bei strahlendem Sonnenschein genossen Besucher aller Altersklassen ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm. Besonders gedacht wurde der Opfer des Attentats von Orlando.

Eine ältere Frau mit zurechtgemachten Haaren sitzt in der ersten Reihe vor der Bühne. Auf ihren Gehstock gestützt hört sie der modernen Musik zu und schaut zufrieden lächelnd auf ein Mädchen, das neben ihr zu tanzen beginnt. Diese Situation zeigt: Beim diesjährigen Christopher Street Day (CSD) standen Akzeptanz und Lebensfreude an erster Stelle. Unter dem Motto "Vielfalt kennt keine Grenzen" feierten hunderte Menschen auf dem Kornmarkt. Vom Kindergartenkind bis zum Rentner genossen alle das sonnig-warme Wetter und die ungezwungene Atmosphäre. "Die Menschen sind so offen und ehrlich hier, alle sind gut gelaunt", schwärmte Walter Hoffmann (65) aus Trier.
Mit Perücken im Stil der Rockband Kiss und einer mitreißenden Choreographie beeindruckten die Tänzerinnen der Gruppe Dance Addicted. Sie rockten Titel von Michael Jackson oder sangen zusammen mit den Zuschauern "Hey Jude" von den Beatles.
Das Theater Trier beteiligte sich auf vielfältige Weise am Programm. So trug Sängerin Conny Hain den Vicky-Leandros-Song "Was kann mir schon geschehn? Glaub mir, ich liebe das Leben" vor. Dieser untermalte gleichzeitig die Botschaft des Tages: Lebt eure Freiheit und feiert! Mehr als ein Dutzend Vereine und Organisationen unterstützten den CSD mit ihren Ständen, an denen reges Treiben herrschte. Dies freute Alex Rollinger, Geschäftsführer des Schmit-z e.V. und Organisator des CSD: "Ich bin sehr zufrieden. Das Wetter spielt mit, die Stimmung ist toll und viele Menschen sind da." Neu in diesem Jahr war die Präsenz der Trierer Polizei auf dem Kornmarkt. Sie stellte die eingerichtete Ansprechstelle für homosexuelle Opfer von Gewalt vor (der TV berichtete).
Doch der CSD kann auch politisch: Eine wesentliche Rolle spielte das Attentat von Orlando in den USA, bei dem im letzten Monat 49 Menschen in einem Club für Homosexuelle starben (siehe Extra). Zudem forderte Joachim Schulte, Sprecher des Vereins QueerNet RLP, dass die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern endlich erlaubt werden solle. Zugleich sendete er ein klares Signal in Richtung des aufkommenden Rechtsrucks: "Schauen sie bei Diskriminierungen nicht weg, wiedersprechen sie und treten sie für Vielfalt ein!"Extra

Oberbürgermeister Wolfram Leibe brachte das Dilemma auf den Punkt: "Die Entscheidung fällt nicht leicht: Sollen wir fröhlich feiern, nachdem so viele Menschen in Orlando getötet wurden?" Die Antwort lautete: Ja. Das Schmit-z wollte mit dem diesjährigen CSD nicht zulassen, dass der Terror die Gesellschaft spalte, wie Geschäftsführer Alex Rollinger es erklärte: "Diese Feier werden wir uns nicht nehmen lassen!" Zur Erinnerung an die 49 Opfer von Orlando konnten die Besucher an einer eigens eingerichteten Gedenkwand Blumen und Kerzen niederlegen und die Kurzbiografien der Getöteten lesen. Während des Festes blieben immer wieder Menschen bedächtig vor der Wand stehen. beh

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