"Dann gibt's wieder Ave Maria den ganzen Tag"

Trier · Wer in der Trierer Innenstadt Straßenmusik machen will, muss kein Casting bestehen und auch nicht vorspielen. Die Künstler brauchen eine Genehmigung und müssen sich an präzise Regeln halten. Doch viele tun es nicht - zum Leidwesen der Händler und Passanten.

Trier. Straßenmusiker werden in Trier als willkommene Abwechslung und kulturelle Belebung empfunden - so formuliert es Ralf Frühauf vom städtischen Presseamt. Er setzt allerdings noch ein "überwiegend" hinzu.
Gunnar Bartels, Wirtschaftsingenieur und Softwareproduzent aus Trier, erlebt im Büro seiner Bartels Media GmbH in der Fleischstraße diese Abwechslung und Belebung täglich. Seine Ansicht: "Seit mehr als einem Jahr werden wir mit einer Dauerschleife von drei Musikstücken gequält, dass uns die Ohren bluten. Das ist professionalisierter Musikterror." Bartels ist mit dieser Meinung nicht allein. Immer wieder sprechen Händler zwischen Porta und Pranger von Darbietungen, deren Qualität manchmal fragwürdig und manchmal schlicht inakzeptabel ist. "Und wir können leider nicht einfach weggehen und uns außer Hörweite in Sicherheit bringen", sagt Textilverkäuferin Irene Huppert. "Ich habe schon regelrecht Angst, wenn es wieder wärmer wird und sie in Scharen kommen. Dann gibt's wieder Ave Maria den ganzen Tag."
Tiefbauamt trägt Verantwortung


Nun ist die Qualität von Straßenmusik ein subjektiv wahrgenommenes Thema und wird es auch bleiben. Noch nie haben ein Amt, ein Dezernent oder eine Jury ein Vorspielen organisiert, zu dem sie die Musiker antreten lassen und wo sie danach be- oder verurteilt werden. Das wird auch in Zukunft nicht geschehen. "Eine Beurteilung der Qualität der Straßenmusik findet nicht statt", betont Frühauf.
Das wäre auch nur sehr schwer umzusetzen. Die für Straßenmusikanten notwendigen Sondernutzungen fallen in die Verantwortung einer Abteilung des Tiefbauamts. Ob es in diesem Amt zeitliche Freiräume für Castings und Vorsingen gibt, darf bezweifelt werden.
Es ist der Stadtverwaltung aber bewusst, dass es damit nicht getan ist. Ob jemand singen kann oder nicht, ist eine Frage. Ob er sich an die Bedingungen seiner Genehmigung und generell die gesetzlichen Richtlinien hält, ist eine völlig andere. Die geltenden Regeln würden den von Gunnar Bartels als "Musikterror" beschriebenen Zustand verhindern, wenn sie eingehalten würden (siehe Extra). Doch weder das Spielverbot an Sonn- und Feiertagen noch die wechselnden Standplätze und die für diese Plätze geltende Maximalspielzeit von 45 Minuten kümmern viele Musikanten. Sie spielen wo, wann und wie lange sie wollen oder Luft haben.
Wirtschafts- und Ordnungsdezernent Thomas Egger (FDP) hat bereits 2011 eine Verschärfung der Spielregeln angekündigt. Diese hat nach Darstellung des Presseamts auch stattgefunden. Ralf Frühauf: "Der Erlaubniszeitraum wurde auf längstens eine Woche begrenzt. Eine Folgeerlaubnis ist dann frühestens nach einer Woche Ruhezeit möglich."
Kontrolle mehrmals pro Woche



Die Verwaltung sieht dem Ganzen nicht tatenlos zu. "Die Straßenmusiker werden mehrmals wöchentlich zu unterschiedlichen Zeiten kontrolliert", meldet das Presseamt. Allerdings kontrollieren in der Regel die Mitarbeiter des Bauverwaltungsamts, und diese dürfen keine Personendaten erheben, die aber für die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens notwendig wären.
Das dürfen nur Polizeibeamte oder Mitarbeiter des kommunalen Vollzugsdienstes, der zum Ordnungsamt gehört. Das Presseamt unterstreicht seine positive Sicht der Dinge: "Aus manchem Straßenmusiker wurde ja sogar ein Star, zum Beispiel Joey Kelly und Semino Rossi."
Extra

Straßenmusiker erhalten vom Bauverwaltungsamt eine Genehmigung zum Musizieren, wenn sie eine Gebühr von 50 Euro entrichten. Insgesamt werden in einem Monat höchstens sieben Lizenzen für die Innenstadt gleichzeitig vergeben. Die Darbietung der Straßenmusik wird in diesen Lizenzen klar geregelt. Die darin angegebenen Standplätze und Spielzeiten sind verbindlich. Die Antragsteller erhalten mit ihrer Genehmigung einen Plan, in dem ihnen für die Zeit von 10.45 bis 13 Uhr und 16 bis 19 Uhr wechselnde Standplätze mit einer Spielzeit von je 45 Minuten zugeteilt werden. An Sonn- und Feiertagen darf nicht gespielt werden, auch der Verkauf von Tonträgern ist verboten. Die Stadt kann eine solche Lizenz bei Verstößen jederzeit widerrufen. jp

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