Das Ende der Odyssee

TRIER/BERLIN. Von Trier nach Berlin, von Berlin zurück nach Trier – das so genannte Siemens-Mosaik hat eine bewegte Vergangenheit. Nach grundlegender Restaurierung ist das 1811 in der Neustraße entdeckte Groß-Mosaik wieder in die Hauptstadt gereist – als Dauerleihgabe des Rheinischen Landesmuseums an das Deutsche Historische Museum.

Die Attraktion in Peter Junks Weinstube in der Neustraße war nicht nur der Rebensaft. Die Gäste bestaunten im Keller ein prachtvolles Zeugnis aus glorreicher römischer Vergangenheit, einen Mosaikfußboden. Von 1865 bis 1879 pilgerten die Trierer zum Mosaik, dann verkaufte der Gastwirt das Römer-Relikt nach Berlin - der Beginn einer ungewöhnlichen Odyssee. Die abenteuerliche Geschichte des antiken Bodenschmucks begann bereits vor 194 Jahren. 1811 entdeckten ihn Bauarbeiter bei Kellerausschachtungen in der Neustraße in zweieinhalb Meter Tiefe. Es war der erste Mosaikfund in Deutschlands ältester Stadt; bis heute folgten rund 200 weitere. Was zusammen gehörte, blieb fortan nicht mehr zusammen. Ein Drittel des Mosaiks mit Tierbildern eines Vogels und eines Pferdes wurden herausgebrochen und ging in den Besitz der Gesellschaft für nützliche Forschungen über. Erst 54 Jahre später wurde bei Keller-Erweiterungen auch der restliche Teil freigelegt und zur Schau gestellt. 1880 ließen als neue Besitzer die Berliner Architekten Ernst Ihne und Paul Stegmüller das Mosaik stückweise bergen und per Bahn in die Reichshauptstadt schaffen, um es zunächst im Keller eines Hauses in Moabit provisorisch auszustellen. Noch in gleichen Jahr bejubelte die Deutsche Bauzeitung in einem erst kürzlich im Trierer Stadtarchiv wiederentdeckten Artikel den "römischen Mosaikfußboden in Berlin" und legte Künstlern und Kunstfreunden eine Besichtigung ans Herz. Paul Ihne, zum Hofarchitekten avanciert, plante die Verlegung des Mosaiks im Schloss Königshof im Taunus, das er von 1889 bis 1894 baute. Dazu kam es aus unbekannten Gründen aber nicht. Arnold von Siemens, Sohn des Firmengründers Werner von Siemens, kaufte das Prachtstück und ließ es auf der Terrasse seiner Villa am Wannsee auslegen. Neue Heimat "Unter den Linden"

Die schmückte es bis 1928, wanderte dann in Kisten verpackt in Lagerräume und geriet in Vergessenheit. 1951 kehrten die Fragmente als Schenkung der Familie Siemens ans Landesmuseum nach Trier zurück. Dort war man zwar hoch erfreut, aber nicht in der Lage, das in viele Teilchen zerbrochene Kunstwerk aus dem zweiten Viertel des dritten Jahrhunderts in seiner Gänze zu restaurieren. Wiederum ein gutes halbes Jahrhundert später sind den um die Mini-Steinchen besorgten Landesmuseums-Leuten tonnenschwere Felsbrocken vom Herzen gefallen. Dank kräftiger Unterstützung der Siemens-Kunststiftung existiert das Mosaik nun wieder als Ganzes. "Hinter uns liegt ein abenteuerliches Projekt, das alle Phasen des Experimentierens durchgemacht hat", atmet Museums-Chefin Karin Goethert auf. Mit Hilfe von Zeichnungen und Fotos, teils aus dem 19. Jahrhundert, mussten die Bruchstücke identifiziert und ihre Original-Lage bestimmt, Verunreinigungen entfernt und fehlende Stücke ergänzt oder ersetzt werden. Einige Bildpartien wurden in Maltechnik rekonstruiert. 103 000 Euro hatte die Siemens-Stiftung bereitgestellt. Für dieses Geld engagierte das Landesmuseum einen Mosaiksetzer, einen Restaurator und eine Archäologin für die Dokumentation. "Um das äußerst schwierige Projekt erfolgreich zum Ende zu führen, mussten zusätzlich unsere Restauratoren ihre Arbeitskraft noch mit einbringen", berichtet Karin Goethert. Ende gut, alles gut. Vor wenigen Tagen ist das vier mal vier Meter große "Siemens-Mosaik" zum zweitenmal auf die Reise nach Berlin gegangen. Künftig soll es in der Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums im Zeughaus "Unter den Linden" das römische Trier repräsentieren. Die Ausstellungseröffnung ist für die erste Jahreshälfte 2006 geplant. Im Landesmuseum bleiben die Originale des Pferd- und Vogel-Motivs der Trierer Gesellschaft für nützliche Forschungen. Ausgerechten die dürften zum "nicht-trierischen Teil" des Prachtmosaiks gehören. Während die Ornamente eindeutig von einheimischen Künstlern des dritten Jahrhunderts stammen, finden sich für die Tierbilder in Trier keinerlei Parallelen. Da haben damals wohl auswärtige Mosaizisten Amtshilfe geleistet.

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