Das Ende der Wedico-Ära

TRIER. Häufig stimmt das Klischee von der "guten alten Zeit" nicht. Aber wegen des Wedico-Edeka-Markts am Georg-Schmitt-Platz ist Traurigkeit verständlich: Mit seiner Schließung am heutigen Samstag geht den Kunden nicht nur Lebensqualität verloren, sondern auch Zuspruch, Wärme und Freundschaft.

Auch am vorletzten Tag seines über 50-jährigen Kaufmannslebens sitzt Dietmar Weirich an der Kasse. Beinahe alle seine Kunden kennt er persönlich. Mit jedem gibt es etwas zu bereden. Heute haben die Gespräche alle ein Thema: Die Schließung seines Edeka-Marktes am Georg-Schmitt-Platz. "Ich kann gar nicht mehr klar denken", sagt Hedwig Müller aus der alten Zurmaiener Straße, "über 20 Jahre habe ich hier eingekauft". Dietmar Weirich nickt, zu antworten fällt ihm schwer. Auch Helma Hübner ist ratlos. "Wo ich jetzt einkaufen soll, weiß ich noch nicht. Vielleicht beim Kaufhof, mir bleibt ja nichts anderes übrig", sagt die alte Dame aus der Lindenstraße, die bis vor 30 Jahren selbst für die Weirichs gearbeitet hat. Damals hatte die Familie noch mehrere Geschäfte: In der Aachener- und der Zurmaiener Straße, in Heiligkreuz, Gutweiler und Schweich. 1987 kaufte Edeka die Märkte, aber die Betreibung des Ladens am Georg-Schmitt-Platz ließ Dietmar Weirich sich nicht nehmen. Schließen will er wegen seines Alters und weil seine Frau aus gesundheitlichen Gründen kürzer treten muss. "Seit Frühjahr suche ich - aber ich finde keinen Nachfolger", sagt er. Seine beiden Söhne arbeiten in Luxemburg und hätten kein Interesse am Kaufmannsdasein. Am Umsatz liege das nicht. "Da hatten wir all die Jahre keinen Einbruch - trotz der harten Konkurrenz", sagt Weirich. Der 400 Quadratmeter große Laden bietet nicht nur Qualität - "alleine unsere Brottheke wurde von fünf Bäckereien beliefert" - und freundliche Schwätzchen, sondern auch besonderen Service: "Unser Bring-Dienst beliefert 25 Kunden in Trier, Ehrang, Pfalzel und Ruwer. Die Älteste ist 98. Der Dame bringen wir, was sie möchte - und wenn es nur zwei Brötchen sind." Auch mehrere blinde Kunden würden beliefert. Dass seine treuen Liefer-Kunden bald ohne ihn auskommen müssen, liegt Weirich schwer im Magen. "Gott sei Dank" plane Lieferant Johnny Husrev, sich selbstständig zu machen und die Touren aufrecht zu erhalten. Auch seine vier Verkäuferinnen sind seit über 20 Jahren angestellt. "Es tut mir so leid, dass ich kündigen musste", sagt Weirich, "wir hatten so ein gutes Miteinander." Auch, dass sich in den vergangenen fünf Jahren keine auch nur einen Tag habe krankschreiben lassen spreche dafür. "Die Kunden, meine Mitarbeiter, die Arbeit - das hat eben alles immer gepasst", sagt Weirich. Dass er all die Jahre um 4 Uhr im Lager war, ab 4.30 Uhr die ankommende Ware verstaut und bis um 19 Uhr an der Kasse und beim Einräumen geholfen hat, hat ihn nie gestört. "Wenn einem was Spaß macht, ist das ja keine richtige Arbeit." Die Schließung trifft viele Menschen. Pallien, die Aachener Straße, das Martinskloster, das Wohnviertel zwischen alter Zurmaiener und Peter-Friedhofen-Straße: Viele haben ihren täglichen Einkauf bei Weirich erledigt. Jetzt werden sie weitere Wege in Kauf nehmen müssen. Aber Dietmar Weirich, der am Trimmelterhof wohnt, bleibt seinen Kunden in der Stadt erhalten: Zum 48. Mal reitet er am 10. November beim St.-Martins-Umzug der Stadt Trier mit. "Eine Kundin hat mir kürzlich erzählt, dass ich ihr als kleines Kind als St. Martin die Hand geschüttelt habe. Dieses Jahr will sie mit ihrem Enkelkind kommen - damit ich ihm auch die Hand schütteln kann."

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