Das Gedächtnis der Stadt

Trier · Sein Haus verstehe sich als "Gedächtnis der Stadt", sagt Bernhard Simon. Seit Dezember leitet der 58-Jährige das Trierer Stadtarchiv. Das präsentiert am Mittwoch, 4. Februar, den Erstling einer neuen Publikationsreihe: Die "Ära Friedrich Breitbach" bündelt authentische Dokumente des von den US-Truppen eingesetzten ersten Trierer Nachkriegs-OB.

 Mit dem ersten Band der „Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier“ präsentiert Archivchef Bernhard Simon eine neue Reihe. TV-Foto: Marcus Stölb

Mit dem ersten Band der „Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier“ präsentiert Archivchef Bernhard Simon eine neue Reihe. TV-Foto: Marcus Stölb

Trier. "Unter diesen Umständen hielt ich es für meine Pflicht, im Interesse der Stadt Trier gegen die Ernennung keine weiteren Einwände zu erheben und habe sie stillschweigend angenommen", notiert Friedrich Breitbach am 7. März 1945. Zwei Tage zuvor meldete sich der Unternehmer bei der amerikanischen Militärregierung. Eigentlich war es Breitbach nur um eine Registrierung gegangen. Doch kaum waren seine Personalien festgestellt, da fragten ihn die Amerikaner, ob er nicht den Posten des Bürgermeisters übernehmen wolle. Dazu sehe er sich außerstande, entgegnete Breitbach, schließlich fehle ihm jegliche Verwaltungserfahrung. Noch am selben Tag wurde er zum "Zivilen Leiter" der Stadt ernannt.
Breitbachs Aktennotiz findet sich im ersten Band der "Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier". Verfasser Klaus Breitbach ruft darin das öffentliche Wirken seines Onkels in Erinnerung und spiegelt die ersten Nachkriegsjahre in Trier wider. Der 1991 verstorbene OB hinterließ eine Vielzahl von Dokumenten, darunter Aktennotizen, Aufzeichnungen von Besprechungen, amtliche Mitteilungen und Bittschreiben an die Militärverwaltung. Die weitgehend unkommentierte Wiedergabe der Originaldokumente liefert ein spannendes Stück Stadthistorie.
"Ich finde, der Band lässt sich auch hervorragend im Geschichtsunterricht einsetzen", sagt Bernhard Simon und ergänzt: "Auch so kann man Geschichte vermitteln." Und daran ist Simon und seinem Team in der Weberbach gelegen. Das spannendste Material nutze wenig, wenn kaum jemand von ihm Notiz nehme.
Der Mensch hinter den Akten


Seit Dezember leitet Simon das Stadtarchiv, bei dem er seit drei Jahrzehnten angestellt ist. Seine ersten Meriten verdiente sich der gebürtige Trierer am Landeshauptarchiv in Koblenz, in Marburg studierte er an der Archivschule. Simon weiß um das Klischee, das ihn und seine Kollegen noch immer begleitet: dass Archivare sich in Kellerräumen durch vergilbte Papierstapel wühlen und angestaubte Dokumente sichten. Überholt sei diese Vorstellung, erklärt Simon freundlich und sagt, was aus seiner Sicht moderne Quellenarbeit ausmacht: "Es geht darum, den Akten ein Gesicht zu geben. Hinter Dokumenten stehen immer Menschen und auch Schicksale."
Viel ist Simon an der Kooperation mit Schulen gelegen. Etwa mit dem Max-Planck-Gymnasium. Im vergangenen Jahr beschäftigten sich Schüler des MPG und der Ecole Sainte Anne im luxemburgischen Ettelbrück gemeinsam mit der regionalen Geschichte während der NS-Zeit und dem heutigen jüdischen Leben in der Moselstadt. Die Schülergruppe ging im Stadtarchiv auf Spurensuche und erhielt hier Zugriff auf Originalquellen. Ein Projekt so ganz nach dem Geschmack Simons. Denn so wurde das im Archiv gelagerte Wissen nicht nur den Schülern und Lehrern, sondern noch weiteren Menschen bekannt. "Wir haben auch einen Bildungsauftrag", sagt er.
Ein Vorhaben, das Simon "sehr am Herzen" liegt und das er in Angriff nehmen möchte, ist der Aufbau einer Trierer Bilddatenbank. "Wir haben einen riesigen Fundus an Ansichtskarten und Negativen, das sind Zehntausende Fotos." Simon möchte die Aufnahmen digitalisieren und, vergleichbar der bereits bestehenden Trierer Porträtdatenbank, online zugänglich machen.
Von der neuen Reihe "Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier" erhoffen sich Simon und Michael Embach, Leiter der Stadtbibliothek, dass diese Impulse an die Forschung sendet, "die Geschichtsschreibung der Stadt und des Raums Trier auf der Basis archivalischer Originalüberlieferung anzugehen". Doch auch Laien dürfte der erste Band ansprechen. Vor allem dann, wenn sie sich für die Zustände in der unmittelbaren Nachkriegszeit interessieren.
Am Mittwoch, 4. Februar, um 18 Uhr stellt Klaus Breitbach in der Stadtbibliothek in der Weberbach seinen Band "Die Ära Friedrich Breitbach" vor. Nach der Präsentation kann das 340 Seiten zählende Werk für 15 Euro in der Stadtbibliothek erworben werden.

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