Das Köwericher Modell und die Lust am Regieren

Köwerich · Als sich Elmar Schlöder im August 2014 für die Wahl zum Ortsbürgermeister von Köwerich überreden ließ, befürchtete er, es sei ein undankbarer Job. Heute ist er glücklich mit dem Ehrenamt - und führt die Gemeinde mit seinen Beigeordneten wie ein Unternehmen.

 Seit einem halben Jahr sagt Ortsbürgermeister Elmar Schlöder, wo es in Köwerich lang geht. TV-Foto: Albert Follmann

Seit einem halben Jahr sagt Ortsbürgermeister Elmar Schlöder, wo es in Köwerich lang geht. TV-Foto: Albert Follmann

Köwerich. Als zuständiger Ingenieur für die technischen Werkstandards beim Tabakhersteller JTI kommt Elmar Schlöder viel rum. 25 Fabriken hat der 45-Jährige mit seinem Team weltweit zu betreuen. Lassen sich die vielen Dienstreisen überhaupt mit seinem Job als Ortsbürgermeister von Köwerich (Verbandsgemeinde Schweich) vereinbaren? "Kein Problem", sagt Schlöder. "Ob ich in Asien bin oder wo auch immer, den Zugriff auf die Ortsdokumente habe ich jederzeit."
Die Digitalisierung des Gemeindearchivs ist nur eine von vielen Maßnahmen, die Schlöder und seine Beigeordneten Frank Basten und Andreas Regnery seit ihrer Wahl im August 2014 eingeführt haben. "Wir führen die Gemeinde wie einen mittelständischen Betrieb, nur ohne Gewinnabsicht", sagt der Familienvater. Mit seinem kalkulierten Arbeitsaufwand von 15 Stunden monatlich kommt Schlöder nicht hin, noch nicht. "Es ist eher das Doppelte, aber wegen der Neustruktur ist der Arbeitsaufwand ja auch anfangs größer." Schlöder ist auf einen Schlag "Chef" von 16 Beschäftigten geworden - zwei Gemeindearbeiter, drei Reinigungskräfte und elf Beschäftigte in der kommunalen Kita.
Die Ortsbürgermeister-Tätigkeit habe er sich nicht so verantwortungsvoll und interessant vorgestellt, sagt Schlöder. Als nach der Kommunalwahl neben rund 50 anderen Gemeinden in der Region auch der 350-Einwohner-Ort Köwerich ohne Ortsbürgermeister dastand (der TV berichtete) und er gefragt wurde, sei er noch skeptisch gewesen. Ein Grund, schließlich doch zuzusagen, war die Vorstellung, Köwerich könnte von externer Seite "zwangsverwaltet" werden. "Mir ist bereits in den ersten Wochen klargeworden, dass dies den Gau bedeutet hätte. Es ist kaum vorstellbar, dass ein Dorf sich entwickeln kann, wenn die Dinge nicht vor Ort geregelt werden." In Köwerich hat sich unter dem neuen Führungstrio eine Eigendynamik entwickelt. Dass die Beigeordneten eigenverantwortliche Geschäftsbereiche haben, ist für Schlöder selbstverständlich: "Das macht jeder moderne Betrieb auch so." Frank Basten koordiniert Pflege und Instandhaltung der Gebäude und Liegenschaften, Andreas Regnery regelt die Bauprojekte und Angelegenheiten der örtlichen Betriebe. Ortsbürgermeister und Beigeordnete stimmen sich wöchentlich ab, wichtige Entscheidungen treffen sie gemeinsam. Der Gemeinderat ist in alle Grundsatzfragen involviert. Man spricht schon vom "Köwericher Modell".
Die Aufgaben seien so verteilt, dass jeder seine Stärken ausspielen könne, sagt der Gemeindechef. Gegenseitiges Vertrauen sei Grundvoraussetzung. Auch der langjährige Ortsbürgermeister und Schlöder-Vorgänger Robert Linden ist sehr zufrieden mit der Entwicklung: "Es läuft prima. Die drei Männer sind im besten Alter und können gut miteinander."
Spende für guten Zweck


Schlöder hat seine Ankündigung wahrgemacht, seine Aufwandsentschädigung für einen guten Zweck zu spenden (siehe Extra). Ihm gelingt es auch mehr und mehr, ehrenamtliche Helfer im Ort einzubinden. Man habe einen ehrenamtlichen Hauswart fürs Jugendheim und Paten für die Grünflächen am Moselvorland und den Gemeindeplatz gefunden. Bald sollen in Köwerich auch wieder Häuser gebaut werden können. 18 Baugrundstücke werden "Im Wiesengrund" erschlossen, neun sind in Gemeindehand.
In einem Zeitraum von zehn Jahren soll ein Dorferneuerungskonzept umgesetzt werden. Ziele sind unter anderem der Ausbau von Beethoven- und Kapellenstraße, die Neugestaltung des Dorfplatzes und die Aufwertung des Moselvorlandes. Finanziell steht Köwerich gut da. Die Gemeinde ist schuldenfrei und kann auf Pachteinnahmen aus zwei Windrädern hoffen, die im Windpark Leiwen-Detzem auf Köwericher Eigentum geplant sind.Extra

Köwerichs Ortsbürgermeister Elmar Schlöder spendet seine Aufwandsentschädigung von monatlich 545 Euro inklusive Auslagenvergütung wie Telefonkosten dem Verein "Von Betroffenen für Betroffene" - und dort speziell für das Projekt Anna. Bis Ende 2014 sind 3428 Euro überwiesen worden. Laut Vorsitzendem Hermann Becker werden mit dem Geld Familien von schwer erkrankten Kindern in die Lage versetzt, durch einen einwöchigen Urlaub einmal Abstand von Klinik und Therapie zu bekommen. Insbesondere Geschwisterkinder, die normalerweise zu kurz kommen, sollen dadurch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Hochgerechnet auf die Amtszeit Schlöders kommen so rund 40 000 Euro zusammen. Die Beigeordneten Frank Basten und Andreas Regnery verzichten auch auf ihren Ehrenamtssold. Ihnen stünden 40 Prozent der Aufwandsentschädigung des Ortsbürgermeisters zu, weil sie eigene Geschäftsbereiche haben. alf

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