Das Loch Ness der Trierer Politik

Trier · Wie das Ungeheuer im schottischen Loch Ness taucht immer wieder unversehens der nicht vorhandene Brunnen im Trierer Brunnenhof in der Stadtpolitik auf und verschwindet wieder. Alle tun so, als wollten sie einen neuen - aber hinter den Kulissen lassen sie das Thema unauffällig versanden.

Trier. Angefangen hat die Tragikomödie am Tag der Wiedereröffnung des Stadtmuseums im Mai 2007. ADD-Präsident Josef Peter Mertes soll einer der ersten gewesen sein, der beim Streifen durch den frisch renovierten Innenhof des Simeonstifts laut und vernehmlich fragte, wo denn der Brunnen sei, der dem Brunnenhof seinen Namen gegeben habe.
Es gab keinen mehr. Er war, längst außer Betrieb, ohne viel Federlesens 2004 entsorgt worden. Auf einen neuen hatte man bei der Umgestaltung verzichtet - jedenfalls bis auf weiteres.
Die Brunnen-Euphorie breitete sich aus wie ein Flächenbrand. OB Klaus Jensen befand das Fehlen "sehr schade" und sah ebenso Handlungsbedarf wie die Trier-Gesellschaft und der Museums-Förderverein. Der ADD-Chef brachte sogleich Landeszuschüsse ins Gespräch. UBM-Chef Maximini trug das Thema in den Stadtrat, die CDU wollte stantepede die Anlage eines neuen Brunnens beschließen. "So etwas bezahlen die Trierer immer noch selbst", tönte ihr Sprecher Ulrich Dempfle, frei nach dem Berliner Motto: arm, aber sexy.
Die Frage, ob ein Brunnen sinnvoll, bezahlbar, praktikabel und dem Platz historisch angemessen sei, stellte freilich im kollektiven Begeisterungstaumel niemand. Nur die Hausherrin im Simeonstift, Museumsleiterin Elisabeth Dühr, machte ihrem Chef, Kulturdezernent Uli Holkenbrink, hinter den Kulissen klar, dass ein Hochbau-Brunnen das Ensemble des Innenhofs zu ruinieren drohe. Und Herbert Michael Kopp vom Verein Trierisch, personifiziertes denkmalschützerisches Gewissen Triers, wies darauf hin, dass der Brunnenhof bis 1953 Blumenhof geheißen habe und mitnichten ein historischer Brunnenstandort sei, den es zu rekonstruieren gelte.
Der damalige Kulturdezernent, kein Freund offen ausgetragener Konflikte, setzte auf eine Doppel-Strategie: Nachdem der Stadtrat nicht von der Stelle kam, schob er das Thema zur Simeonstift-Baukommission und wies parallel das Museum an, eine Spendenbox für den Brunnen aufzustellen, um die Mitwirkungsbereitschaft der Bürger zu dokumentieren.
Sehr bescheidene Spendenfreude


Doch beides entwickelte sich anders als gedacht: In der Kommission erklärte Simeonstift-Architekt Baumewerd, dass allenfalls ein flaches Wasserband am Boden infrage komme, entlang der Glasfassade am Nordflügel - keineswegs der lauschige Brunnen, wie er den Befürwortern vorschwebt. Die Spenden-Aktion wurde eingestellt, nachdem sie in drei Monaten einen Erlös von sechs Euro gebracht hatte.
Seither heißt es im Rathaus: Still ruht der Brunnen. Zumal sich der Brunnenhof inzwischen als sommerliche Veranstaltungs-Location etabliert hat, bei der ein ordentlich rauschender Wasserspender eher störend im Weg stehen würde. Aber es hat sich noch niemand getraut, das Thema offiziell abzumoderieren.
Rathaus: Still ruht der Brunnen


Nur Manfred Maximini, inzwischen Polit-Rentner, macht sich ein Vergnügen daraus, seine einstigen Kollegen immer wieder an ihren nie umgesetzten Beschluss zu erinnern. Woraus wiederum der Loch-Ness-Effekt entsteht.
Passieren tut aber nichts. Neu-Kulturdezernent Thomas Egger war schon seinerzeit im Stadtrat kein übermäßiger Förderer des Projekts, und seine Kollegin Baudezernentin hat so viele Baustellen und Konfliktfelder, dass sie sich schwerlich eine weitere Quelle des Ärgers aufhalsen will.
Da kam das jüngste Angebot des mit der Stadt zutiefst verfeindeten Schwebebahn-Besitzers Peter Schwab, den Brunnen aus Mitteln der von seinen Eltern gegründeten Stiftung zu finanzieren, so gelegen wie ein Eiswürfelautomat am Nordpol. Nicht wenige im Rathaus vermuten, der streitbare Unternehmer wolle sie bloß ärgern. Die Trier-Gesellschaft, als Partner ins Gespräch gebracht, musste gleich einen Rückzieher machen: Ihre Satzung erlaubt ihre Mitwirkung nur bei historisch werthaltigen Restaurierungen. Und genau das, hat man nun festgestellt, wäre ein Brunnen im Brunnenhof nicht.Meinung

Verschwendete Energie
Die Stadt Trier hat zu viele Probleme, um sich alle Jahre wieder über den Brunnenhof-Brunnen zu echauffieren. Das Thema wird allerdings so lange rumoren, bis Verwaltung und Rat klar und deutlich sagen, was eh schon Sache ist: Ein Brunnen steht nicht ernsthaft zur Debatte. Weil er dort, Name hin oder her, im jetzigen Ensemble nicht hingehört. Auch wenn man vor vier Jahren mächtig die Trommel dafür gerührt hat. Irrtümer sind nicht peinlich, höchstens, wenn man daran festhält. Über ein bescheidenes Wasserspiel am Boden ließe sich reden. Brunnen sollte man das nicht nennen, das schafft eine falsche Erwartungshaltung. Aber auch eine kleine Lösung kostet Geld, und sie kostet vor allem die Energie des Bauamts. Die wird aber in Trier an anderen Stellen derzeit weit dringender gebraucht. Wenn das Moselufer erschlossen, die Petrisberg-Bahn gebaut, die Loebstraße (und einige andere) ausgebaut, der Schulbestand auf Vordermann gebracht und das Theater saniert sind - erst dann sollte uns Manfred Maximini wieder an den Brunnenhof erinnern. d.lintz@volksfreund.de

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