Gesundheit „Frauen müssen sich nicht allein fühlen“

Trier · Was die Corona-Krise für die Geburt und die Zeit danach bedeutet. Hebammen stärken junge Mütter – zumindest per Telefon. Ab 6. April gibt es Geburtshilfe nur noch im Mutterhaus Mitte.

 Sicher auf die Welt kommen: Das Klinikum Mutterhaus Mitte ist ab sofort zentrale Anlaufstelle für Wöchnerinnen. Die Geburtshilfe Ehrang ist wegen der Corona-Krise ins Haupthaus in der Trierer Innenstadt verlegt worden.

Sicher auf die Welt kommen: Das Klinikum Mutterhaus Mitte ist ab sofort zentrale Anlaufstelle für Wöchnerinnen. Die Geburtshilfe Ehrang ist wegen der Corona-Krise ins Haupthaus in der Trierer Innenstadt verlegt worden.

Foto: Klinikum Mutterhaus

Die Zeit nach der Geburt ihres ersten Kindes hatte sich Yvonne Schäfer anders vorgestellt. Als erste Regale mit Desinfektionsmitteln und Toilettenpapier leer gekauft waren, kam ihre Tochter zur Welt. Kaiserschnitt, Familienzimmer, fünf Tage nur sie, der Papa und das Baby. Keine glücklichen Großeltern am Babybettchen, Besuchsverbot. „Ich durfte vorab nur eine Begleitperson benennen“, sagt die frischgebackene Mama.

Die ersten Tage zu Hause sei sie noch froh gewesen, sich ungestört auf die neue Situation mit dem Neugeborenen einstellen zu können. Nur die Hebamme kommt ins Haus. Mit Mundschutz und Handschuhen schaut sie täglich nach Mutter und Baby. „Darüber bin ich so glücklich, der persönliche Kontakt ist so wichtig“ sagt Schäfer. Doch mit jedem Tag, der vergeht, fehlen Verwandte und Freunde mehr und mehr.

„Wir sind so stolz und würden unser Baby gerne der ganzen Welt zeigen und können es nicht“, sagt sie. Mit ihren Schwestern skypt sie oft, schickt Fotos per Smartphone und telefoniert. Auch fehle jemand, der im Haushalt mal zur Hand gehe. Vor ein paar Tagen kam die Tante der Kleinen vorbei. Sie hat ein Geschenk vor die Tür gelegt und ihre Nichte das erste Mal gesehen – durch ein Fenster im Erdgeschoss des Hauses.

Schäfer freut sich auf den Tag, an dem die Verwandten ihr Baby kuscheln können. „Der Kontakt über soziale Netzwerke ist gut, aber es geht nichts darüber, sich in den Arm nehmen zu können“, sagt sie. Eine Bekannte von ihr erwarte in wenigen Tagen ihr Kind. Sie überlege, ambulant zu entbinden, damit die große Schwester das Neugeborene so schnell wie möglich sehen könne.

Das Klinikum Mutterhaus Mitte in der Feldstraße ist ab dem 6. April die einzige Anlaufstelle für Wöchnerinnen. Junge Mütter und gynäkologische Patientinnen werden in Folge der Corona-Krise nicht mehr wie bisher auch in Trier-Ehrang behandelt (TV vom 28. März).

Mancherorts müssen Frauen während der Corona-Krise ihre Kinder allein zur Welt bringen, Väter im Kreißsaal und Besuch in der Klinik sind tabu. Von dieser drastischen Maßnahme hat das Mutterhaus bislang abgesehen. Werdende Väter sollen trotz Corona-Krise bei der Geburt ihres Kindes dabei sein können, sofern kein Verdacht auf eine Virusinfektion besteht.

Klinik-Sprecherin Bettina Leuchtenberg: „Bei der Geburt darf die Schwangere von einer von ihr autorisierten, symptomfreien Person begleitet werden.“ Anders bei Kontrollterminen und der Anmeldung zur Geburt. Aus Gründen des Infektionsschutzes müssen Schwangere zurzeit allein kommen. Auch alle Veranstaltungen rund um die Geburt sind abgesagt. Und ist das Baby da, gelten Besuchsregeln: „Jede frisch entbundene Mama darf pro Tag für eine Stunde und nach Vereinbarung von einer symptomfreien und von ihr autorisierten Person besucht werden.“ Geschwisterkinder sehen das Neugeborene dann erst zu Hause.

Können Schwangere mit Verdacht auf oder mit festgestellter Corona-Infektion im Mutterhaus entbinden? „Ja“, sagt Leuchtenberg. Dann würde ein separierter Bereich und ein Patientenzimmer auf der Wöchnerinnenstation isoliert werden. Grundsätzlich könne die Mutter auch in diesem Fall nach Absprache begleitet werden.

Ausnahmezustand herrscht auch für Hebammen: „Momentan ist meine Arbeit davon, wie ich normalerweise arbeite, weit entfernt“, sagt Hebamme Lina Neitscher. In Schutzkleidung geht sie so kurz wie möglich zu Wöchnerinnen und Kind zur Nachsorge: rein ins Haus, Untersuchung, raus. Alles andere, mit den Eltern sprechen, Fragen beantworten, macht sie zurzeit per Telefon. Neitscher arbeitet halbtags in der Hebammenzentrale in Trier und als freie Hebamme. Die Hebammenzentrale für die Stadt und den Kreis Trier-Saarburg war ins Leben gerufen worden, weil Hebammen fehlen. In der Zentrale tüfteln zwei Mitarbeiterinnen aus, wie sie alle Möglichkeiten ausschöpfen können, um dem Mangel entgegenzuwirken. Etwa indem sie schauen, dass die Wege für Hebammen zu den Familien kurz bleiben und so Zeit für weitere Wöchnerinnen freigeschaufelt werden kann.

Schon vor der Pandemie mussten einige junge Mütter ohne Hebamme nach der Geburt zu Hause klarkommen. „Zehn bis 30 Prozent, je nachdem wer die Zahlen erhebt“, sagt Neitscher. Die Corona-Krise stellt werdende und junge Eltern nun vor weitere Herausforderungen. Aktuell beobachtet Neitscher: „Die Themen in der Hebammenzentrale ändern sich.“ Die Frauen fragten, ob überhaupt noch eine Hebamme zur Nachsorge nach Hause komme, sie interessierten sich stärker für ambulante Geburten und Hausgeburten.

Die Information auf der Internetseite des Hebammen-Landesverbandes Rheinland-Pfalz dürfte Schwangere beruhigen. Dort steht, dass den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe zufolge einer normalen Geburt bei Vorliegen oder Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus nichts im Wege steht. Und der Verband appelliert: „Alle Frauen haben das Recht auf ein positives Geburtserlebnis. Auch in Zeiten von Covid-19.“

Hebamme Lina Neitscher macht jungen Frauen Mut für die Zeit nach der Geburt: „Die Frauen müssen sich nicht allein fühlen“, sagt die Hebamme. „Wir sind für alle da.“ Zumindest am Telefon.

Die Mitarbeiterinnen der Hebammenzentrale sind montags bis donnerstags zwischen 9 und 11 Uhr unter Telefon 0651/46302145 erreichbar. Anfragen sind auch über die Homepage möglich: www.hebammenzentrale-trier.de

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