Das Rätsel der Betonkuppel

TRIER. Dunkle Gänge und ein Kuppelbau mit unbekanntem Zweck: Während der Arbeiten zur Vorbereitung der Landesgartenschau (LGS) kommen Relikte aus der militärischen Vergangenheit des Geländes ans Tageslicht - und werfen Rätsel auf.

Karsten Müller steht vor einem trichterförmigen Erdloch. "Hier ist ein Bagger eingebrochen", erklärt der künstlerische Leiter der Landesgartenschau. Von der Einruchstelle aus geht ein Tunnel in den Berg. Parabelförmig wölbt sich die Betondecke, die in die Seitenwände übergeht, auf dem Boden liegt Schutt. Wer den dunklen Gang betreten will, braucht Gummistiefel - Wasser hat sich am Boden angesammelt. Der Gang, der im Bereich des ehemaligen, an die Kaserne angegliederten Kriegsgefangenenlagers liegt, dürfte aus den Anfangsjahren des 1937 bezogenen Komplexes stammen. Er könnte möglicherweise im Zweiten Weltkrieg als Bunker gedient haben. Bagger stoßen auf unterirdische Gänge

Auf den zweiten Tunnel stießen die Gartenschau-Planer an der Kürenzer Seite des Berges: Zwei in der gleichen Technik wie der andere Tunnel gebaute, mit einem Querstollen miteinander verbundene Gänge führen in den Berg. Der Nutzen der in französischer Zeit verschütteten Anlage ist unbekannt - möglicherweise handelt es sich ebenfalls um einen Bunker. Wilde Spekulationen ranken sich um einen Kuppelbau aus Beton mit einzigartigen akustischen Eigenschaften. Welche Funktion die Ende 1938 gebaute Kuppel ursprünglich gehabt hat, gibt Anlass zu abstrusen Vermutungen. "Am Anfang dachten wir, dort sei ein Geschütz untergebracht gewesen", berichtet Müller. Diese Idee erwies sich schnell als unhaltbar: Die Betonkuppel hat nur eine kleine Luftöffnung an ihrer höchsten Stelle und eine einzige Tür. "Über ein Jahr lang dachten wir dann, es handele sich um einen Bunker, in dem Gasmasken getestet wurden", erzählt der künstlerische Leiter der LGS. Doch auch an dieser Theorie gab es Zweifel. Müller: "Der Bau war für diesen Zweck viel zu aufwändig. Ein rechtwinkelig gebauter Raum hätte es auch getan." Auf eine neue Idee brachte die Macher der Landesgartenschau Thilo Elsner, der Leiter der Sternwarte Bochum. Die Trierer Kuppel könne einen Planetariums-Projektor beherbergt haben, mutmaßt Elsner. "Die Firma Zeiss hat während des Zweiten Weltkriegs Flugsimulatoren gebaut und dafür Planetarienbauten gebraucht." Von der Größe her könnte die Kuppel für Himmelsprojektionen genutzt worden sein. "Es ist aber eine reine Vermutung", betont Elsner. Wenn diese Vermutung zutreffen sollte, hätte in der Mitte des Raumes ein Zeiss-Kleinplanetarium-Projektor (ZKP1) gestanden. Ein 1962 nach Plänen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erbautes, mit diesem Projektor bestücktes Kleinplanetarium steht in Halle/Saale. Zumindest auf den ersten Blick ist seine Kuppel der Trierer nicht unähnlich. War die Betonkuppelkuppel in der Nazizeit etwa ein Übungsraum, in dem die Piloten der Luftwaffe Nachtflüge trainiert haben? Oder war es, wie dem Historiker Frank Hirschmann berichtet worden ist, eine Trainingsanlage für Flugabwehr-Schützen? Für Letzteres spricht, dass in der Kaserne von 1937 bis 40 ein Artillerieregiment stationiert war. Kuppel war möglicherweise ein Projektionsraum

Während der Landesgartenschau werden Künstler die unterirdischen Gänge und Räume der ehemaligen Kasernenanlage und die Betonkuppel für Installationen nutzen. In dem Gang, in den der Bagger eingebrochen ist, installieren die Künstler Bernd Bleffert, Herbert Hofer und Thomas Rath ein Erdklang-Objekt. Es ist eines von vier Objekten, die die Elemente Wasser, Feuer, Erde und Luft thematisieren, nach denen die Landesgartenschau thematisch ausgerichtet ist. Den Kuppelbau nutzt Klangkünstler Burkhard Schmidl für die sphärische Klanginstallation "Obscuratorium - Die Suche nach Element X". Von dem Raum ist Schmidl sehr angetan. "Die Akustik ist sehr extrem, ganz außergewöhnlich. Sie ist voller Reflexionen, die Kompositionen müssen sehr minimalistisch sein." Trotz der hervorragenden akustischen Eigenschaften droht der Kuppel nach der LGS die Abrissbirne - das Gelände soll als Bauland genutzt werden. Elsner: "Ein Traum wäre es natürlich, den Bau als Planetarium zu erhalten - zuzüglich einer Beobachtungsstätte." Liebe Leser, wissen Sie, welchem Zweck die Betonkuppel auf dem Gelände der Landesgartenschau früher gedient hat? Schreiben Sie uns: echo@volksfreund.de

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