Das schwere Erbe des künftigen Ex-OB

Trier · Es begann mit einer dicken Überraschung und geht mit einer ebensolchen zu Ende: Ende Mai 2005 verkündete Klaus Jensen aus dem Abseits des Polit-Betriebs heraus, für den OB-Posten zu kandidieren. Als Amtsinhaber erklärt er nun zur kollektiven Überraschung, sich nicht für eine zweite Amtszeit zu bewerben. Nun brodelt die Gerüchteküche. Wer tritt gegen CDU-Kandidatin Hiltrud Zock an?

Trier. Turbulenter Montag im Rathaus. Was vergangene Woche noch nur wenige Eingeweihte wussten, wird gestern auf die Schnelle offiziell gemacht: Um 10.15 Uhr landet bei den Trierer Medien die Einladung zur Pressekonferenz um 14 Uhr. Stadtoberhaupt Klaus Jensen wolle sich "zur Frage einer OB-Kandidatur äußern". Klar Fall, denken wohl alle: Jensen kündigt eine neuerliche Kandidatur an. Aber das Gegenteil ist der Fall. Am 1. April 2015 ist Jensen Ex-OB.
Als sich die Pressevertreter daran machen, die Überraschungsnachricht zu verbreiten, löst der Flurfunk im Rathaus ungläubiges Staunen aus. Der Chef hört in gut 16 Monaten auf. Aber er wollte doch noch mal antreten. Das hatte er tatsächlich in einem Interview mit dem Trierischen Volksfreund Ende 2010 durchblicken lassen. Er denke über eine neuerliche Kandidatur nach. Klarer Fall auch damals: Er wäre ja blöd, wenn er es nicht täte, schließlich könne er nach 2015 die Früchte dessen ernten, was er gesät hat: Verwaltungsreform, Doppik-Haushalt - alles Dinge, die in den letzten Jahren mit viel Aufwand und großen Reibungsverlusten auf den Weg gebracht wurden. In einer zweiten Amtszeit, für die man ja auch keine Einarbeitungszeit braucht und man Tücken des Geschäfts kennt, könnte man entspannter die Geschicke der ältesten Stadt Deutschlands lenken. Doch Jensen mag nicht mehr. Desillusioniert? "Nein, nur wegen des Alters", sagt der für Trierer Verhältinisse eher untypische Politiker, den manche schon kurz nach Amtsantritt als Fehlbesetzung an der Rathaus-Spitze einschätzten. Nicht mangels fachlicher Qualifikation, sondern weil zu "gutmenschig" veranlagt. Fakt ist: Jensen pflegt einen unautoritären Führungsstil und will bei wichtigen Entscheidungen möglichst viel Beteiligung, gerne an runden Tischen und in Arbeitskreisen. Bei seinen Vorgängern - allesamt CDU-Männer - war das anders. Da wurde gerne mit der Faust auf den kleinen eckigen Tisch gehauen, der Stadtrat vor vollendete Tatsachen gestellt und das als "Macherqualität" gepriesen. Genau diese Eigenschaft sprach CDU-Chef und Bundestagsabgeordneter Bernhard Kaster Jensen Ende 2007 nach nur einem halben Jahr im Amt ab: Der OB habe zwar das Thema Wirtschaft zur Chefsache gemacht, setze aber keine Impulse und kümmere sich zu wenig. Jensen hielt gute Argumente dagegen, doch der Mythos des Polit-Softies haftet ihm seit damals an.
Klaus Jensen, ein guter Mann am falschen Ort? Die Frage, warum er sich das antut, stellt sich nun nicht mehr oder allenfalls noch für die nächsten anderthalb Jahre. Nun sind andere gefragt, die "sich das antun" wollen. Ihr künftiges Stadtoberhaupt werden die Trierer zu einem noch nicht feststehenden Termin im Herbst 2014 wählen. Die CDU, die mit ihrer Kritik an Jensen die Messlatte für einen Nachfolger sehr hoch gelegt hat, hat als erste ihren Hut in den Ring geworfen. Für sie soll - vorbehaltlich der Zustimmung der Parteibasis - die parteilose Hiltrud Zock antreten.Mehr als zwei Bewerber?


Jetzt ist die SPD im Zugzwang. Sie hat gestern nach der Bekanntgabe von Jensens Kandidaturverzicht für heute Nachmittag zu einer Pressekonferenz eingeladen. "Wir werden über unser weiteres Vorgehen informieren", kündigt Partei- und Fraktionschef Sven Teuber an. Mehr lässt er sich nicht entlocken. Dagmar Barzen? Katarina Barley? Begoña Hermann? "Ich bestätige keinen Namen." Oder will Teuber gar selbst antreten? "Auch dazu sage ich nichts."
Gelassen reagiert Linken-Chefin und Bundestagsabgeordnete Katrin Werner: "Wir warten ab, wer alles kandidiert, und sprechen mit jedem Bewerber. Vom Ausgang dieser Gespräche machen wir abhängig, ob wir vielleicht auch einen eigenen Kandidaten aufbieten."Extra

Sven Teuber, SPD-Partei- und Fraktionsvorsitzender: "Auch wenn wir uns eine erneute Kandidatur Klaus Jensens gewünscht hätten, zollen wir seiner Entscheidung und seinen gewichtigen Argumenten dafür großen Respekt. Er hat sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, da er sich mit Leib und Seele dem Wohl der Stadt verpflichtet fühlt." Karl-Josef-Gilles, FDP-Fraktionsvorsitzender: "Eine respektable Entscheidung, die ich durchaus nachvollziehen kann. Klaus Jensen hat seinen Job trotz schwieriger Rahmenbedingungen bisher ordentlich gemacht. Allerdings habe ich zuletzt die Neutralität vermisst, die er anfangs gezeigt hat. Mittlerweile schlägt er sich oft und zu eindeutig auf die Seite seiner Genossen." Katrin Werner, Fraktionsvorsitzende Die Linke: "Um es mit Ironie zu sagen: Wir verstehen es nicht, dass Jensen sein Alter als teilweise Begründung vorschiebt - schließlich ist die SPD doch für die Rente mit 67 eingetreten... Wir sehen die Nichtkandidatur landespolitisch motiviert. Ein zu erwartendes deutlich schlechteres Wahlergebnis als 2006 soll keinen Schatten werfen, wenn Malu Dreyer bei der Landtagswahl 2016 als SPD-Spitzenkandidatin antritt." Anja Reinermann-Matatko, Fraktionsvorsitzende Grüne: "Wir sind überrascht, aber auch ein wenig erleichtert. 2006 haben wir Klaus Jensen bedingungslos unterstützt und daraus gelernt: Das würden wir so nicht noch einmal machen. Wir schließen nicht aus, für die OB-Wahl eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten zu nominieren. Die Entscheidung liegt bei einer Mitgliederversammlung Anfang 2014." Christiane Probst, Fraktionsvorsitzende Freie Wählergemeinschaft (FWG): "OB Klaus Jensen ist sicher kein schlechter OB. Es ist sehr besonnen und engagiert, aber offenbar nicht besonders durchsetzungskräftig. Er hätte öfter mal auf den Tisch hauen müssen. Sei es, um den unsäglichen NPD-Vertreter im Stadtrat in die Schranken zu weisen oder auch im Stadtvorstand, der sich ja offenkundig oft uneins ist." Bernhard Kaster, Vorsitzender der CDU Trier: "Wir respektieren die Entscheidung von OB Klaus Jensen und danken ihm für sein großes Engagement, die sympathische Repräsentation der Stadt und den menschlichen Umgang miteinander. Wir haben keinen Zweifel, dass er das Amt mit voller Kraft bis 2015 zu Ende führt. Die neue Wahlperiode bis 2023 braucht an der Stadtspitze Innovation und auch wieder Dynamik: In diesem Sinne unterbreitet die CDU mit der Kandidatur der parteilosen Hiltrud Zock ein Angebot." rm./TV-Fotos: TV-Archiv/Roland Morgen (3)Extra

Klaus Jensen, geboren am 14. Januar 1952 in Duisburg, kam nach dem Sozialarbeit-Studium 1976 nach Trier. Bis 1979 arbeitete er als Sozialplaner im Rathaus und war anschließend freiberuflich tätig. 1986 war er Mitgründer des Trierer Sozialplanungsbüros Jensen und Kappenstein mit Standorten in Mainz, Chemnitz und Erfurt, 1994 wurde er als Staatssekretär ins Mainzer Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit berufen. Um seine an Krebs erkrankte Frau Helene pflegen und sich um die drei gemeinsamen Kinder kümmern zu können, ließ er sich 1999 beurlauben. Helene Jensen starb 2001; seit 2004 ist Klaus Jensen mit der damaligen Ministerin und heutigen Ministerpräsidentin Malu Dreyer verheiratet. Bei der OB-Wahl 2006 trat er als unabhängiger Kandidat an und wurde von SPD und Grünen unterstützt. Er gewann alle Wahlbezirke und erhielt 66,9 Prozent. Auf Ulrich Holkenbrink (CDU) entfielen 33,1 Prozent. Seit 1. April 2007 ist Jensen OB von Trier. rm.

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