Das Trierische und der ganz besondere Vokal

Als Josef Marx und ich vor einigen Jahren das Trierische Wörterbuch erarbeiteten, hatten wir uns vorgenommen, wegen der Lesbarkeit der Mundartwörter lediglich die Lautzeichen unseres deutschen Alphabets zu benutzen: keine Sonderzeichen, keine Lautschrift, keine Akzente.Das hat dann auch soweit geklappt.

Das Trierische und der ganz besondere Vokal
Foto: (h_lalu )


Bis auf einen Fall allerdings: Die Trierische Sprache verfügt nämlich über einen sehr charakteristischen und auch sehr häufig vorkommenden Vokal, den es in der deutschen Hochsprache überhaupt nicht gibt.
Wer Englisch spricht, kennt diesen Laut beispielsweise von den Wörtern all, wall oder small. Es handelt sich um einen Ton, der irgendwo zwischen a und o schwebt. Linguisten bezeichnen diesen Vokal als ein offenes o. Und weil das Hochdeutsche diesen sonderbaren Laut nicht kennt, hat die Rechtschreibung natürlich auch kein Zeichen dafür.
Wir haben uns aus dieser Klemme dann einfach mit der Einfügung eines zusätzlichen Lautzeichens befreit. Danach brauchten wir auch nicht lange zu suchen, denn Generationen von Mundartautoren hatten dafür bereits die Buchstaben-Zusammenfügung (Ligatur) ao eingeführt. Wie bei anderen Ligaturen (ei, au, ch und so weiter) werden die Buchstaben dabei nicht getrennt ausgesprochen, sondern als ein Laut.
Ein paar Beispiele: es war = ett waor, Garten = Gaorden, schlagen = schlaon, Buhmann = Baobes, Trompete = Draoder, Dummkopf = Taobert, Schwätzer = Schnaoderpidder.
In manchen Texten taucht aber auch statt des ao ein oa auf. Die Trierer Mundart-Rockband schreibt sich beispielsweise Leiendecker Bloas und der Verein für Heimatpflege in Biewer nennt sich Biewerer Hoanen.
Es gab einmal, das ist aber schon fast hundert Jahre her, in Trier einen erbitterten Expertenstreit, ob nun oa oder ao geschrieben werden sollte.
Diese fürchterlich wichtige Diskussion wurde dann vom Verein Trierisch mit einer Empfehlung zugunsten der ao-Schreibung beendet. Fast alle Mundartautoren (zum Beispiel Peter von der Mosel, Dora Rendenbach, Cläre Prem und Werner Becker) machten das dann auch so.
Und noch etwas: Bitte, liebe TV-Redakteure, Ligaturen darf man nicht trennen. Denkt mal dran, wenn nächstens wieder eine Mundartkolumne in Druck geht: Tao-bert, nicht Ta-obert, Schnao-derpidder, nicht Schna-oderpidder!
Horst Schmitt
Horst Schmitt ist Autor des Trierer Wörterbuchs, das im Trier-Verlag erschienen und im Buchhandel erhältlich ist.
Gemeinsam mit Josef Marx hat er über 10 000 Stichwörter in Hochdeutsch-Trierisch und Trierisch-Hochdeutsch zusammengetragen.
Die beiden Autoren erläutern in unserer Kolumne "Trierisch balaawern" wöchentlich Besonderheiten der Trierer Mundart.

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