Das unvollendete Sommermärchen

Berlin, Olympiastadion. 26. Juni 2011. Beim Eröffnungsspiel der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland fiebern auf den Tribünen knapp 74 000 Zuschauer mit.

An den Fernseh-Bildschirmen sind es landauf, landab 15,41 Millionen.
Deutschland trifft auf Kanada. Célia Okoyino da Mbabi schießt das vorentscheidende 2:0 für die DFB-Auswahl (Endstand 2:1). Eine Explosion der Gefühle. "Es war ein großartiger Moment. Im Stadion herrschte eine besondere Atmosphäre. Dass der Frauen-Fußball zudem so viele Menschen vor den Fernsehern zusammenbrachte, war Wahnsinn", blickt Okoyino da Mbabi zurück.
Lisa Umbach verfolgt das Spiel vor Ort im Olympiastadion. Die 17-Jährige aus Schalkenmehren (Vulkaneifelkreis) ist Teamkameradin von Okoyino da Mbabi beim Bundesligisten SC Bad Neuenahr. Célia ist für sie im Sturm Konkurrentin und Vorbild zugleich. Umbach hofft, den Sprung in die Bundesliga zu schaffen. "Ich war positiv überrascht, welche Aufmerksamkeit die WM auf sich gezogen hat", sagt die Schülerin des privaten Gymnasiums Calvarienberg, einer DFB-Eliteschule für Mädchenfußball in Bad Neuenahr.
Okoyino da Mbabi wird binnen weniger Wochen zum Star. Ihre Popularität hält bis heute an: "Ich werde nahezu jeden Tag auf der Straße angesprochen. Man merkt, dass mich die Menschen auf einmal kennen." Verändert habe sie sich nicht, sagt die 23-jährige Nationalspielerin, die auch für die Werbung interessant geworden ist. Das bestätigt Umbach: "Sie ist locker geblieben und offen für Fragen. Mit ihr kann man weiter viel Spaß haben."
Im WM-Viertelfinale sorgt Japan für das tränenreiche Aus der deutschen Mannschaft. Bei der Partie sitzen sogar 17,01 Millionen Menschen in Deutschland vor dem Fernseher. Das ist Jahresrekord für eine Sport-Übertragung. Die DFB-Auswahl verliert in Wolfsburg gegen den späteren Weltmeister mit 0:1 nach Verlängerung. Früh ist der Traum vom dritten WM-Titel in Folge beendet.
"Trotz der sportlichen Enttäuschung war die WM großartig", sagt Okoyino da Mbabi. Auch wenn die Zuschauerzahlen in der Bundesliga nicht explodiert sind und bei den Länderspielen zuletzt eher stagnierten, spricht die gebürtige Bonnerin von positiven Effekten. "Es wäre völliger Unsinn, zu glauben, bei den Bundesliga-Spielen müssten jetzt 10 000 Zuschauer kommen. Wichtig ist zu sehen, dass der Schnitt gestiegen ist."
Auch Umbach glaubt an eine rosigere Zukunft: "Durch die WM erfährt der Frauen-Fußball jetzt mehr Beachtung. Das Interesse, auch bei den Mädchen, hat zugenommen." Ihr Ehrgeiz ist durch die Titelkämpfe jedenfalls gestiegen: "Die WM hat gezeigt, was man erreichen kann."
Für Okoyino da Mbabi ist schnell wieder der Alltag eingekehrt. Für Bad Neuenahr geht sie erfolgreich auf Torejagd, in Koblenz studiert sie Kulturwissenschaften. Mit der Nationalmannschaft will sie sich für die Europameisterschaft 2013 in Schweden qualifizieren. Für Erinnerungen an die WM bleibt da momentan wenig Zeit. In ferner Zukunft könnte das anders aussehen: "Mein Vater hat viele Zeitungsberichte von der WM ausgeschnitten. In 30 Jahren freue ich mich wahrscheinlich, wenn ich in ihnen stöbern kann." Mirko Blahak

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