Dauerdienst dank Dauerfrost

Doppelt bis drei Mal so viele Knochen- und Gelenkbrüche wie üblich werden in der chirurgischen Unfallambulanz des Klinikums Mutterhaus zurzeit versorgt. Auch das Notfallzentrum des Brüderkrankenhauses meldet eine "sehr starke Häufung wetterbedingter Verletzungen". Schuld sind Schnee- und Eisglätte.

Trier. Mit zwei typischen Verletzungsmustern haben es die Chirurgen im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder und im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen seit Jahresbeginn beinahe täglich zu tun: ältere Menschen, die sich bei Stürzen auf Eis oder Schnee die Oberschenkel brechen. Und Jüngere, die ebenfalls ausrutschen, den Sturz aber dank schnellerer Reaktionen durch Aufstützen der Arme abzumildern versuchen - und sich dabei die Handgelenke brechen.

Dreiviertel Stunde in der Kälte gelegen



"Wir behandeln zurzeit täglich zwischen zwölf und 15 Brüche nach Stürzen auf glatten Straßen und Wegen", sagt Markus Rick, leitender Unfallchirurg am Mutterhaus. Auch im Brüderkrankenhaus ist die Zahl der Unfallverletzungen in die Höhe geschnellt. "Gebrochene Handgelenke zählen dabei zu den häufigsten Verletzungen", erklärt Markus Baacke, chirurgischer Leiter des dortigen Notfallzentrums.

Der frühe Höhepunkt des andauernden Eingips-Marathons war allerdings Silvester: "Üblicherweise arbeitet ein Chirurg in unserem Notfallzentrum - beim Blitzeis an Silvester waren wir zu viert", berichtet Baacke. Insgesamt 49 chirurgische Notfälle wurden eingeliefert, zwölf davon mussten stationär aufgenommen werden. Auch im Mutterhaus hat man die Neujahrsnacht "durchoperiert".

Ganz dumm lief es für eine junge Frau, die am Neujahrsmorgen ganz vernünftig und vorsichtig per Taxi nach Hause fuhr. Dort angekommen, wollte der Taxifahrer ihr galant über das Blitzeis helfen. Beide kamen ins Rutschen, der Fahrer stolperte auf die Frau, die sich dabei die Schulter brach. "Wäre sie alleine gefallen, wäre es vermutlich glimpflicher ausgegangen", berichtet Baacke.
Hilfe endet mit Oberschenkelhals-Bruch

Gleich zwei Patienten auf einmal hatte sein Kollege am Mutterhaus in einem Fall zu versorgen: "Ein Mann wollte seinem gestürzten Nachbarn beim Aufstehen behilflich sein - und fiel dabei selbst hin", erzählt Rick. Die Männer, beide Mitte 60, wurden eingeliefert - beide mit gebrochenen Oberschenkelhals-Knochen.

Besonders ältere Menschen seien auf glatten Straßen und Bürgersteigen gefährdet. "Die Knochen sind poröser und brechen leichter. Dazu kommt, dass bei älteren Menschen die Reaktionen nachlassen und sie sich nicht mehr so schnell ausbalancieren können", sagt Baacke. Besonders gefährlich wird es, wenn Senioren nach einem Sturz nicht mehr alleine hoch kommen. "Eine meiner Patientinnen hat eine Dreiviertelstunde in der Kälte gelegen, bevor jemand auf sie aufmerksam wurde", erzählt Rick.

Aber auch junge Menschen würden häufig die Gefahr unterschätzen. Eine junge Frau habe ihren Sturz mit den Armen abfangen wollen und sich dabei beide Handgelenke gebrochen, berichtet Unfallchirurg Rick. "Das bedeutet, sechs Wochen außer Gefecht und auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein", zählt Rick die Folgen auf. Schützen könne man sich vor Stürzen durch Vorsicht und festes Schuhwerk. "Aber leider reicht ein ungeschickter Tritt manchmal aus", bedauert Rick. Viele junge Menschen würde jedoch der gefrorene Boden noch nicht mal vom Joggen abhalten. "Aber wer Sport auf diesem steinharten, unebenen Boden treibt, handelt schon fast leichtsinnig.

Extra

Räum- und Streupflicht:
Verantwortlich dafür, dass Bürgersteige und Straßen entlang von Privatgrundstücken bei Schnee und Eis geräumt und gestreut werden, sind grundsätzlich die Immobilien- beziehungsweise Grundstücksbesitzer. Ihre Pflicht, für Verkehrssicherheit zu sorgen, können sie ihren Mietern, einem Hausmeister oder Räumdienst übertragen. Zwischen sieben Uhr morgens, an Feiertagen ab acht Uhr, und 21 Uhr am Abend müssen Gehwege verkehrssicher sein. Gibt es keinen Bürgersteig, muss die Straße auf 1,50 Metern geräumt werden. "Die meisten Leute sind sich dieser Pflicht nicht bewusst", erklärt Hermine Henner, stellvertretende Leiterin des Straßenreinigungsamts, das für Bürgersteige entlang öffentlicher Grundstücke und für Straßen zuständig ist. Wer auf einem vereisten Gehweg stürzt, kann Eigentümer oder Stadt haftbar machen. (woc)

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