Den Sprayern auf der Spur

TRIER. Sie prägen das Bild einer jeden Großstadt. Es gibt sie in unzähligen Varianten und beinahe täglich kommen neue hinzu. Und große Hausfassaden scheinen sie geradezu magisch anzuziehen: Die Rede ist von Graffitis – verzerrte Zeichen- und Buchstabenkombinationen, deren Logik sich nur den Mitgliedern der Szene offenbart. Doch die Polizei hat dagegen ein probates Mittel: In einer Datenbank wird jedes Zeichen gespeichert – und die meisten irgendwann auch einem Sprayer zugeordnet.

Ungefähr 60 Anzeigen haben sich alleine in diesem Jahr bereits im Trierer Stadtgebiet angesammelt. Der Schaden ist dann oft groß und der Ärger umso größer - denn das Besprühen von Hauswänden ist eine Straftat und mitnichten Kunst. Ausnahmen sind diejenigen Stellen in Trier, an denen man mit Genehmigung der Stadt echte Kunstwerke anbringen kann. Doch die Polizei interessieren die illegalen Graffitis. "Tag" heißt des Sprayers Signatur

"Jeder Sprayer hat seine eigene Signatur, ein so genanntes Tag", sagt Polizeioberkommissar Hans-Erich Schmitt. Er ist im Sachgebiet Jugendkriminalität der Polizeiinspektion Trier tätig und hat sich schon vor ein paar Jahren auf Graffitis spezialisiert. "Im Jahr 2000 haben wir die Daten zentralisiert und eine Datenbank eingerichtet, auf der jedes Tag verzeichnet wird. Das ist eine Sisyphus-Arbeit", sagt Schmitt und fügt hinzu, dass seine Arbeit mit dem üblichen Blaulicht-Klischee nicht viel gemein hat. Aber sie ist erfolgreich: Gingen 2003 bei der Polizei noch 496 Graffiti-Anzeigen ein, waren es 2005 nicht mehr als 195. "Das liegt auch daran, dass wir immer mehr Sprayer durch die Datenbank identifizieren können", erläutert Schmitt. Auf diese Weise könne man dann durch einen einfachen Mausklick mehrere Graffitis ein und demselben Sprüher zuordnen. Die Datenbank umfasst Tatort, Feststellzeit, den Inhalt des Graffitis, sowie die hauptsächlich verwendeten Farben. Zusätzlich wird jedem Eintrag ein Digitalbild des Tags zugeordnet. Wenn Schmitt das "Tag" lesen kann, wird das Wort - in der Regel aus drei bis fünf Buchstaben - in das entsprechende Feld in der Datenbank eingegeben. So kann man nachverfolgen, wo welches "Tag" aufgetaucht ist. Und in der Regel auch auf ein und denselben Sprayer schließen - ein Mal konnten auf diese Weise sogar über 100 Graffitis nachgewiesen werden. "Man übernimmt niemals ein fremdes Tag", weiß Schmitt. Das sei eine der Grundregeln in der illegalen Graffiti-Szene, die in Trier aktuell um die 20 aktive Sprayer umfasse. Dazu gehört auch, dass sich die zumeist jugendlichen Sprüher für ihre "Werke" gut sichtbare Orte aussuchen. "Das erhöht die Gefahr, entdeckt zu werden und gibt den Sprayern einen besonderen Kick", sagt Schmitt. Je gefährlicher der Ort, desto größer der interne Ruhm für den Urheber. Kann Schmitt das "Tag" nicht entziffern, steht in der Tabelle ein Fragezeichen, und die Bilddatei wird mit "xy" und einer Nummer versehen. "Wichtig ist, dass ein Bürger sofort die Polizei anruft, wenn er einen Sprayer am Werke sieht", ermahnt Polizeioberkommissar Karl-Peter Jochem. Denn nur so könne man weitere "Tags" entschlüsseln. Auflagen für die Täter

Gelingt dies, geht der Fall an die Trierer Staatsanwaltschaft. "Wir streben in der Regel zunächst einen Täter-Opfer-Ausgleich an", sagt der leitende Trierer Oberstaatsanwalt Horst Roos. Dabei werde der Täter mit der Auflage versehen, selbst für die Entfernung des von ihm verursachten Graffitis zu sorgen - und da die Täter zumeist Jugendliche sind, stelle sich auch ein erzieherischer Effekt ein. Bei Wiederholungstätern ist dieser Täter-Opfer-Ausgleich aber hinfällig. "Im Jahr 2005 gab es bei uns 142 Verfahren gegen Graffiti-Sprüher", berichtet Roos. Davon wurden derer acht angeklagt und es kam zu drei Strafbefehlen. In 93 Fällen konnte die Schuld aber nicht nachgewiesen werden. "Doch mit jedem ‚Tag', das neu in die Datenbank aufgenommen wird, erhöhen sich die Chancen, Sprayer zu identifizieren", sagt Schmitt. Und der aufmerksame Bürger kann einen Vorteil daraus ziehen: Verständigt er rechtzeitig die Polizei und es kommt so zu einer Aufklärung, winken 1000 Euro Belohnung.

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