Der Auswanderer-Sohn und die Hymne

Trierer Familie erforscht ihre Geschichte: 145 Jahre auf den Tag ist es her, dass Jacob Veit aus Trier verschwunden ist und sein Glück in Thailand machte. Auch sein Sohn hat es zu großem Ruhm gebracht, denn er komponierte die thailändische Nationalhymne, die ihm den königlichen Titel "Phra Chen Duriyang" - großer Meister der Musik - einbrachte.

Trier/Thailand. Neueste Forschungen haben ergeben, dass Jacob Veit Europa in Le Havre auf einem Schiff namens "Jacob Grammler" verließ, das genau heute, am 18. Juli, vor 145 Jahren in New York ankam. Doch wie genau sah sein Leben fern der Heimat aus?

1864 war es soweit. Der 19-jährige Sohn eines Trierer Pflastermeisters, Jacob Veit, packte seine sieben Sachen und verließ die Heimat gen Amerika. Nie wieder hörten seine Verwandten von ihm. Dabei meinte es das Leben ganz gut mit dem Auswanderer, der seine Chance nutzte und Ausbilder einer Militärkapelle im amerikanischen Bürgerkrieg wurde. Sein Freund Chandler, später Konsul in Siam, dem heutigen Thailand, lockte den talentierten Trierer, der inzwischen mehrere Instrumente beherrschte, an den thailändischen Königshof. Dort suchte König Rama V. einen Experten für europäische Blasmusik. Die Liebe ließ Jacob Veit endgültig seine neue Heimat im südostasiatischen Königreich finden, wo er mit seiner Frau drei Söhne großzog: Leo, Paul und Peter, der nach seinem Trierer Großvater benannt wurde. Jacob Veits Verdienst war es, die damalige Nationalhymne für ein großes Blasorchester zu arrangieren. 1909 starb er an Kehlkopfkrebs.

Während seine Brüder Hobbykünstler blieben, brachte Peter Veit es zu großem Ruhm. Er nahm den von König Rama VI. verliehenen Namen "Piti Vadhayakorn" an, der — passend zu seinem Talent — soviel bedeutet wie "der mit Taktstöcken umgehen kann". Das königliche Orchester machte er zum besten Südostasiens. Er komponierte klassische Werke, die noch heute aufgeführt werden, und bewahrte die einheimische Musik, indem er sie in "westlicher Notenschrift" niederschrieb. Außerdem wurde er Musiklehrer für alle Könige. 1922 erhielt er den vom König verliehenen Titel "Phra Chen Duriyang" (großer Meister der Musik).

Nach den Unruhen im Jahr 1932 sollte Peter Veit eine neue Nationalhymne komponieren, denn der König war im Zuge der Revolution entmachtet worden. Thailand, wie das Land jetzt hieß, war zu einer konstitutionellen Monarchie geworden. Die alte Hymne passte nicht mehr. So entstand, inspiriert durch Brahms erste Symphonie und den Rhythmus der Straßenbahnen von Bangkok, die neue Hymne, die sich sofort beim Volk durchsetzte.

Die Familie erfuhr erst 100 Jahre nach Jacob Veits Auswanderung von den spannenden Familienbanden. Zufällig las Cousine Helene Veit den Artikel eines in Thailand lebenden Foto-Journalisten, der über Jacob Veits Sohn Peter und die Hymne schrieb. Sie ließ nicht locker, bis der Kontakt nach Thailand hergestellt war. Sofort war sie verblüfft über Peters Ähnlichkeit mit seiner Tante Gretel aus Deutschland. Und bald war klar, dass der 1864 ausgewanderte, verlorene Sohn Jacob Veit sein Glück in Thailand gemacht hatte.

Die aktuellste Familienzusammenführung gab es zum 60. Geburtstag des Urenkels von Jacob Veits Bruder Michael, Wolfgang Steinborn. Er feierte mit meist aus Trier stammenden Familienangehörigen sein Jubiläum in Bangkok, wo die thailändische Seite der Familie den Deutschen die Familiengeschichte näherbrachte. So eröffneten sie gemeinsam die Ehrenhalle für Phra Chen Duriyang (Peter Veit) in der Nationalbibliothek. Auch das Grab Jacob Veits besichtigten die Trierer Verwandten.

An der Musikfakultät wird mittlerweile sogar das Leben und Wirken des Phra Chen Duriyang erforscht.

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