Der Beigeordnete muss ran

Waldrach/Trier · Landrat Günther Schartz hat ein Machtwort gesprochen. Karl-Heinrich Ewald ist als erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Ruwer alleiniger Ansprechpartner für das weitere Verfahren rund um mögliche Verfehlungen von Bürgermeister Bernhard Busch. Der stellt die Ereignisse in einer Ausschusssitzung vor wenigen Tagen ganz anders dar als dargestellt.

 Karl-Heinrich Ewald.

Karl-Heinrich Ewald.

Foto: (g_pol3 )

Waldrach/Trier. Ulf Hangert wohnt nicht in Neumagen-Dhron. Und trotzdem hat er vor einigen Monaten entschieden, welche Route Kieslaster durch den Ort fahren sollen. Normalerweise hätten der Ortsbürgermeister und die Mitglieder des Ortsgemeinderats über diese Angelegenheit abgestimmt. Weil sie jedoch alle irgendwie von der Streckenführung betroffen sein könnten und somit befangen waren, musste Hangert als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues ran.
Zugegeben, das Beispiel aus dem Nachbarkreis Bernkastel-Wittlich ist extrem. Meist trifft es nur einzelne Ratsmitglieder. Es macht jedoch deutlich, welcher Grundsatz bei kommunalen Angelegenheiten gilt: Wer eigene Interessen in einer Angelegenheit hat, gilt als befangen und darf nicht am Entscheidungsprozess mitwirken.
Unklare Gemengelage



Aus Sicht von Mitgliedern des Verbandsgemeinderats Ruwer und der Kreisverwaltung Trier-Saarburg interpretiert Bernhard Busch, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ruwer, das Thema Befangenheit (siehe Extra) möglicherweise anders.
Was ist geschehen? Ein Mitarbeiter hat im Juni 2015 den Verwaltungschef wegen Unregelmäßigkeiten unter anderem bei Fahrtkosten angezeigt. Busch hat die ihm von der Staatsanwaltschaft gemachten Vorwürfe zugegeben und ist dafür verurteilt worden. Nach dem Prozess wollen nun Mitglieder des Verbandsgemeinderats Ruwer wissen, was an den Vorwürfen dran ist. Unter anderem deshalb, da es im Prozess vor dem Amtsgericht nur um rund 60 Fälle aus fünf Jahren ging. In der Anzeige geht es jedoch um Vorwürfe aus einem weitaus längeren Zeitraum (der TV berichtete).
Stefan Metzdorf, Fraktionschef der SPD im Rat, hat deshalb bei der Verbandsgemeindeverwaltung einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Der Kommunalpolitiker war mehr als nur erstaunt, als ihm auf Nachfrage ein leitender Mitarbeiter der Verwaltung mitgeteilt habe, wer den Antrag auf Akteneinsicht im Fall Bernhard Busch prüfe: Bernhard Busch. Das Ergebnis dieser Prüfung habe der Bürgermeister dann in der jüngsten r Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses bekannt gegeben. Metzdorf: "Er hat unter demTagesordnungspunkt Mitteilungen dem Rat mitgeteilt, dass er den Anträgen von Bündnis90/Grüne und SPD auf Einsicht in die Akten nicht zustimmt."
Der Brief von Landrat Schartz: In dieser Angelegenheit ist offensichtlich nicht das letzte Wort gesprochen. Denn inzwischen ist die Kreisverwaltung auf den Plan getreten. Landrat Günther Schartz hat den Beteiligten in der Verbandsgemeinde Ruwer einen Brief mit eindeutiger Botschaft per Boten zustellen lassen. Gerichtet ist er an Karl-Heinrich Ewald, der erster Beigeordneter der VG Ruwer ist.
Im Schreiben heißt es unter anderem, dass aufgrund der Befangenheit Buschs dieser beispielsweise bei Anfragen zu möglichen Verfehlungen des Bürgermeisters außen vor bleiben muss. Schartz schreibt an Ewald: "Ich weise deshalb ausdrücklich darauf hin und bitte Sie, dass ab sofort und bei allen zukünftigen Behandlungen des oben genannten Themas, Herr Bürgermeister Busch von der Mitwirkung ausgeschlossen wird." Zuständig sei er als erster Beigeordneter.
Das sagt der erste Beigeordnete: Auf TV-Anfrage sagt Ewald, dass er froh über die Klarstellung des Landrats ist. Er habe in den vergangenen 16 Monaten Bürgermeister Busch "mehrfach aufgefordert, sich in eigener Sache zurückzuhalten, leider ohne durchschlagenden Erfolg." Ihm als Beigeordneten habe bisher die notwendige Unterstützung gefehlt. Sein Verhalten werde sich "durch die klare Aussage der Kreisverwaltung Trier-Saarburg jetzt ändern."
Im Rückblick sagt der Sozialdemokrat, der auch Ortsbürgermeister von Kasel ist, dass Beigeordnete, Fraktionen und der VG-Rat Fehler gemacht hätten: "Die Anfragen, die jetzt von SPD, Grünen und zumindest von Teilen der CDU kommen, hätten viel früher erfolgen müssen." Das Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Bürgermeister sei für alle ein Schock gewesen, sagt er im Rückblick. Heute würde er sofort vorschlagen, dass sich die Verbandsgemeinde anwaltlichen Beistand nimmt. Er stellt die Frage an die Kreisverwaltung als dienstvorgesetzte Behörde: "Warum ist Herr Busch noch im Amt und nicht geschützt worden, indem er beurlaubt wurde?"
Ewald hat nach Eingang des Briefs im ersten Schritt Kontakt zur Verwaltung in Waldrach und zu Bürgermeister Busch gesucht und die Sachlage kommuniziert. Er möchte, dass sich zeitnah die Beigeordneten und die Fraktionen zusammensetzen, um ein gemeinsames Vorgehen abzusprechen - ohne Bürgermeister Busch. Es liege eine Menge Arbeit vor den Ratsmitgliedern: "Wir müssen herausfinden, was in unserer Verwaltung über so lange Zeit schiefgelaufen ist."
Das sagt die Kreisverwaltung: Aus Sicht der Kreisverwaltung stellt sich die Historie übrigens etwas anders dar. Nach Auskunft von Pressesprecher Thomas Müller sei dem ersten Beigeordneten im August mitgeteilt worden, dass er eigene Ermittlungen anzustellen habe und er dafür die notwendigen organisatorischen Maßnahmen treffen soll Ihm sei dabei die Hilfe der Kommunalaufsicht und des Rechnungs- und Gemeindeprüfungsamts der Kreisverwaltung angeboten worden.
Im September habe es ein weiteres Treffen gegeben, bei dem über die notwendigen Konsequenzen gesprochen worden ist. "Hieraus wird ersichtlich, dass die Kreisverwaltung dem ersten Beigeordneten der Verbandsgemeinde Ruwer mitgeteilt hat, dass er als Vertreter des in eigener Sache befangenen Bürgermeisters in diesen Angelegenheiten zuständig und er Ansprechpartner der Kreisverwaltung einerseits als auch der Gremien und der Verwaltung der Verbandsgemeinde andererseits ist", sagt Müller.
Das sagt Buschs Anwalt: Im Auftrag von Bürgermeister Bernhard Busch hat sich dessen Anwalt Dr. Andreas Ammer geäußert. Der sagt: "Der Antrag auf Akteneinsicht wurde nicht abgelehnt." Es sei den Antragstellern mitgeteilt worden, dass die Verbandsgemeinde nicht die aktenführende Stelle sei. Da keine Akte bei der Verbandsgemeinde vorliege, "konnte auch ein Akteneinsichtsgesuch weder geprüft noch abgelehnt werden."
Ammer stellt zudem fest, dass sich Bürgermeister Bernhard Busch in keiner offiziellen Sitzung zu den Vorwürfen geäußert habe. "Unser Mandant hat nach Schluss der Sitzung auf Fragen der Ratsmitglieder geantwortet und sich gestellt." Zu keinem Zeitpunkt sei gegen das Mitwirkungsverbot nach Paragraf 22 der Gemeindeordnung verstoßen worden.
Ob sich sein Mandant zu den möglichen Motiven des Mitarbeiters für die Anzeige geäußert hat, lässt Ammer offen. Nach Ansicht des Anwalts sei jedenfalls die Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern der Verbandsgemeindeverwaltung gewahrt worden. "Unser Mandant entscheidet auch nicht darüber, ob gegen den Anzeigenerstatter ein Disziplinarverfahren eröffnet wird oder nicht." Dabei bezieht er sich auf Buschs Aussage, "dass über Jahre hinweg belastendes Material gesammelt wurde, ohne hierüber den zuständigen Stellen Kenntnis zu geben."Extra

Befangenheit: In der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung wird geregelt, wer bei welchen Themen mitreden darf und was unter Befangenheit und Mitwirkungsverbot zu verstehen ist. Dieses Mitwirkungsverbot soll bereits die Gefahr einer Beeinflussung verhindern. Laut Paragraf 22 gilt man unter anderem als befangen, wenn die Entscheidung einem selbst oder einem Angehörigen einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Im normalen kommunalpolitischen Geschäft spricht man von Befangenheit beispielsweise dann, wenn man ein Grundstück in einem zu planenden Baugebiet besitzt und die Ausweisung einen höheren Grundstückswert zur Folge hätte. har

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